Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)
weiteres Mal um ihre Dienste gebeten, aber mir wurde mitgeteilt, sie habe die Agentur verlassen.«
»Dreitausend Dollar«, sagt O’Hara, und betrachtet die Amex-Quittung. »Was kriegt man dafür?«
»Gute Frage«, sagt Stubbs und seine tiefe Sprecherstimme ist nicht mehr wiederzuerkennen.
»Ich meine, wie viel Zeit?«
»Zwei Stunden.«
»Fünfzehnhundert die Stunde und sie wollten eine Zugabe. Das muss ja ganz was Besonderes gewesen sein.«
Stubbs versucht zu lächeln, bekommt aber nur eine Grimasse hin.
»Ich denke, heute Abend wurde alles Nötige gesagt, Detective«, sagt Mayer, beugt sich vor und legt die Hände auf die Knie seiner teuren Jeans. »Ich muss Sie nicht daran erinnern, dass mein Klient ein enormes persönliches Risiko auf sich nimmt, indem er sich freiwillig meldet. Diese Informationen verdienen es, mit äußerster Dikretion behandelt zu werden.«
Oh bitte, denkt O’Hara. Da es Pena mit ihren Unternehmungen als Stripperin bereits auf die Titelseiten der Zeitungen geschafft hat, rechnen sich Mayer und Stubbs aus, dass es nicht mehr lange dauert, bis auch ihre CallGirl-Vergangenheit ans Licht kommt. Die beiden setzen lediglich alles auf eine Karte, um Stubbs’ hochbezahlten Status als Prominenter zu retten. Unter anderen Umständen hätte O’Hara Mayer deftig was vor den Latz geknallt, doch der suspendierten Beamtin kommt maximale Diskretion ebenso gelegen wie Stubbs.
»Ich weiß das zu schätzen«, sagt sie.
Eine Stunde später ist O’Hara wieder im 7. Bezirk, wenn auch in einem ihr äußerst unbekannten Teil. Denn sie sitzt mit Krekorian an einem Tisch in der Lounge im zweiten Stock des gerade eröffneten Rivington Hotels. Von ihrem Ecktisch aus blickt sie auf das auf antik gemachte Schild eines Süßwarenladens auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Die Straße unter ihnen ist blockiert. Noch um ein Uhr morgens sind die Einzigen, denen es gelingt, sich in dem verstopften Verkehr fortzubewegen, die Boten auf ihren klapprigen Fahrrädern, von deren Lenkern fettiges Imbissessen baumelt. Die Hotellounge gehört zu der Sorte von vornehmen Lokalen, die ein Bulle mit Selbstachtung niemals freiwillig betreten würde. Genau aus diesem Grund hat Krekorian diesen Ort als Treffpunkt vorgeschlagen.
Kellnerinnen scheint es keine zu geben, weshalb O’Hara aufsteht und an einem Billardtisch unter einem üppigen Kronleuchter aus Plastik vorbei zur Bar geht. In billigen Spelunken abhängen und Billard spielen gehört zu O’Haras bevorzugten Freizeitaktivitäten und sie registriert unwillkürlich, dass der Tisch sowohl unbesetzt wie auch kostenlos ist. Sie kann keine Münzschlitze erkennen und es gibt auch keine Kugeln oder Queues. Mindestens ebenso kurios ist die kleine Büchersammlung, die für die Gäste bereitsteht. Müde Reisende, die beim Trinken gerne den ein oder anderen Band durchblättern, können aus vier Titeln auswählen: Die Fotografien von Atget, Robert Smithsons Land Art, die Memoiren von Paul Bowles und eine Kurzbiografie über Kaiser Hadrian. O’Hara hat von keinem je gehört, obwohl Lowry wahrscheinlich alle vier bestens kennt. Fehlt nur noch ein aufwendiger Bildband über die vergessene Kunst der Marketenderei.
»Single Malt«, sagt O’Hara, als sie mit den Drinks zum Tisch zurückkehrt. »Heute Abend wird teuer getrunken.«
»Zur Feier deiner Suspendierung?«
»Nein, zur Feier deines Erscheinens hier.«
»Wieso machst du das, Dar? Jeder weiß, dass du der beste Detective im 7. bist. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis du befördert wirst.«
»Ich glaube, es geht um Lowrys Gesichtsausdruck.«
»Du bist verrückt.«
»Borderline«, sagt O’Hara und stößt mit den Gläsern an. »Aber du bist nicht verrückt und trotzdem gekommen. Das bedeutet mir sehr viel«
»Kein Grund, mir zu danken, Dar.«
O’Hara erzählt ihrem Partner von ihrem Besuch in Mayers Stadthaus. »Stripperin und Nutte«, sagt K. und nippt sehr langsam an seinem alten Scotch. »Das Mädchen muss eine Heldin für dich sein.«
»Man kann Schlimmeres werden.«
»Sankt Darlene O’Hara, Schutzheilige aller Sexarbeiterinnen. Ich schätze, du willst, dass ich die Kreditkartenzahlung überprüfe.«
»Das wäre großartig, Serge.« O’Hara blickt auf die andere Straßenseite, auf das Schild mit der Aufschrift Economy Candy. Es wirkt überzeugend, aber sie würde sich auch nicht wundern, wenn es nur ein Trick der Stadtplaner wäre, um den Hotelgästen ein facettenreiches urbanes Leben vorzugaukeln.
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