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Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)

Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)

Titel: Die letzte Lüge: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter de Jonge
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Vermutung nach abgeschickt wurden. Dieser Anordnung zufolge beginnen die Unterschriften mit »liebe Grüße«, »herzlich« und »inniglich, Tommy«, und steigern sich bis hin zu »leidenschaftlich« und »verzweifelt, Tommy.«
    Aufrichtig, herzlich, inniglich Tommy. Berühren, lecken, spüren. Tommy. O’Hara denkt an den flippernden Tommy aus der Rockoper, als ihr plötzlich ein Licht aufgeht und sie das Gefühl hat, selbst taub, stumm und blind gewesen zu sein. Tommy ist kein sexgeiler 19-jähriger Junge, sondern eine sexgeile über 30-jährige stellvertretende Verwaltungsdirektorin. »Tommy« ist die Abkürzung für Tomlinson, der Spitzname, den sie ihren Geliebten oder zumindest den herausragendsten Kandidatinnen unter den Collegebewerberinnen vorbehält.
    Vergiss das mit Engel und Teufel, denkt O’Hara. Vielleicht geht es hier um eine persönliche und romantische Geschichte, zwei über 30-jährige Frauen, die um die Gunst eines Teenagermädchens ringen. Die eine, Lee, gewinnt, und die andere, Tomlinson, entpuppt sich trotz ihrer Bildung, Kultiviertheit und der unbezahlbaren Kunstschätze an ihren Bürowänden als schlechte Verliererin. Eine lesbische Dreierbeziehung, die aus dem Ruder lief.
    Um halb zehn hat O’Hara ein Scheißgefühl in Kopf und Bauch und der Adrenalinrausch, den ihr die späte Erkenntnis verschafft hat, macht es noch schlimmer. O’Hara ist nicht dafür geschaffen, einfach sitzen zu bleiben und auf den Morgen zu warten. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass Tomlinson Überstunden macht, ruft O’Hara in ihrem Büro an, legt aber auf, als der Anrufbeantworter anspringt. Wie erwartet steht Tomlinsons Privatnummer nicht im Telefonbuch, aber O’Haras ehemaliger Kollege Larry Elkin vom Sicherheitsdienst auf dem Campus gibt sie ihr gerne.
    »Wo ich dich gerade dranhabe«, sagt O’Hara, »kannst du mir was über Tomlinson erzählen? Ihr Privatleben, ihre berufliche Karriere, Gerüchte, irgendwas?«
    »Wir haben beide ungefähr zur selben Zeit an der NYU angefangen«, sagt Elkin, »aber ich hatte nur einmal direkt mit ihr zu tun. Ich bin ziemlich sicher, dass sie ein Häuschen auf der Insel Lesbos hat, aber das gilt für die Hälfte aller Lehrkräfte. Soweit ich weiß, gab’s keine Beschwerden von studentischer Seite, und wenn, hätte ich’s nicht unbedingt erfahren. Vor ungefähr drei Jahren haben wir ihr einen Krankenwagen nach Hause geschickt. Eine Überdosis, versehentlich eingenommen hat sie behauptet. Ich schätze, das heißt, sie hat es sich anders überlegt.«
    Dreißig Sekunden später, viel zu schnell, um alles durchdacht zu haben, hat O’Hara mit hämmerndem Kopf und klopfendem Herzen Tomlinson an der Strippe. »Ich möchte mich mit Ihnen über Francesca unterhalten.«
    »Kann das nicht bis morgen warten?«
    »Nein, kann es nicht.«
    »Es ist zehn Uhr, Detective. Ich wollte schlafen gehen. Können Sie mir wenigstens sagen, worum es geht?«
    O’Hara zögert, aber weil Tomlinson sie von Anfang an belogen hat oder auch wegen rassistischer Vorurteile, derer sie sich kaum bewusst ist, oder sogar wegen der anhaltenden Wirkung von zu viel Gin und Bourbon, kann sie es sich nicht verkneifen, die stellvertretende Verwaltungsdirektorin ein bisschen zu beunruhigen. »Es geht um das Privilege«, sagt O’Hara. »Damit meine ich nicht den englischen Begriff für den Umstand, dass manche Studenten Vorrechte genießen, die anderen verwehrt bleiben … sondern den Laden in der 23rd mit dem großen P und dem Riesenhaarschopf hinten dran.« O’Hara bereut ihre Bemerkung sofort, als ihr vom anderen Ende der Leitung Schweigen entgegenschlägt.
    »Wir treffen uns in einer halben Stunde vor der Bibliothek«, sagt Tomlinson.
    »Ich komme aus Riverdale. Können wir sagen in einer Stunde?«
    »Sie hatten es doch so eilig, Detective. In einer halben Stunde oder ich bin weg. Viel Glück, hoffentlich erwischen Sie mich überhaupt.«

35
     
    O’Hara zuckt zusammen wegen des grellen Lichts und des ohrenbetäubenden Lärms der Polizeisirene auf ihrem Armaturenbrett. Sie rast auf den West Side Highway und schiebt ihren ächzenden Jetta durch den südwärts fließenden Verkehr. Eigentumswohnungen und heruntergekommene Landungsbrücken ziehen verschwommen bei 130 Stundenkilometern an ihr vorüber, bis sie endlich den Hustler-Strip-Club, die Intrepid - den in ein Museum umgewandelten Flugzeugträger -, eine Autowaschanlage und die Anlegestelle für Touristenboote hinter sich lässt. An der 14th fährt sie von der

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