Die letzte Minute: Thriller (German Edition)
den Fahrersitz.
» Wohin geht’s?«, fragte er.
» Was ist mit dem anderen Typen?«
» Der findet allein nach Hause. Wo können wir uns ungestört unterhalten?«
» Ich kenne eine Bar.«
5
Amsterdam
Jack Ming konnte nicht schlafen. Er schaute der Uhr zu, wie sie Mitternacht entgegentickte. Er hatte einmal gelesen, dass es in den Niederlanden achtzehn Millionen Handys gebe, und es frustrierte ihn, dass kein einziges für ihn in Reichweite war. Ein Anruf hätte genügt, um aus dem Krankenhaus zu verschwinden, ein hübsches Sümmchen zu kassieren und ein sicheres Leben zu führen. Er hätte Ricki um ihr Handy bitten sollen. Doch er war zu überrascht von ihrem Kommen gewesen, und als es ihm einfiel, war sie schon wieder weg.
August. So hatte der freundliche CIA -Agent geheißen, der die beiden anderen zurückgehalten hatte, als sie immer weiter auf ihn einprügelten. Er würde seinen Namen nennen, wenn er bei der CIA anrief. Er würde einfach August verlangen. Das war seine Fahrkarte zu Sicherheit, Geld und Freiheit.
Zehn Minuten nachdem Ricki gegangen war, kehrte van Biezen zurück. Er sah müde und zerknittert aus. » Wir haben Ihre Angaben überprüft. Es stimmt, dass Sie aus dem Café entführt wurden. Ich dachte mir, das würde Sie vielleicht interessieren.« Er hob eine Augenbraue, während er darauf wartete, dass Jack etwas sagte.
» Werde ich jetzt entlassen?«
» Aus dem Krankenhaus oder aus unserem Schutzgewahrsam?«
» Beides.«
» Ich kann nicht für die Ärzte sprechen. Aber Sie sollten auf jeden Fall vorsichtig sein. Diese Schmuggler gehörten wahrscheinlich zu einer viel größeren kriminellen Organisation.«
» Was meinen Sie damit?«
» Auf ten Booms Laptop fanden wir Hinweise, dass er Polizeidatenbanken gehackt und geheime Dokumente heruntergeladen hat. Solche Informationen sind für kriminelle Netzwerke sehr wertvoll.«
» Ich weiß nichts darüber, was dieser Mann getan hat«, sagte Jack. » Und wenn Sie mich weiter vernehmen, möchte ich jemanden von der Botschaft sprechen und einen Anwalt.«
» Ich habe Sie nicht vernommen. Ich wollte Sie nur warnen. Das sind gefährliche Leute, Mr. Jin.« Van Biezen klang gemessen und vorsichtig, wie ein Diplomat. Wie seine Mutter. » Haben Sie vor, nach Hongkong zurückzukehren? Sie haben das gegenüber den Ärzten nicht so klar gesagt«, fügte er mit einer Spur Sarkasmus hinzu.
» Ich hab mich noch nicht entschieden. Dieses Semester kann ich jedenfalls vergessen.« Er hielt einen Augenblick inne. » Sie sagen, Sie wollen mich warnen. Glauben Sie, ich bin in Gefahr?«
» Wir haben einen Mann vor der Tür postiert. Er steht nicht zum Spaß da.«
Kurz nachdem van Biezen gegangen war, betrat ein höflicher Beamter der chinesischen Botschaft das Zimmer. Es hatte sich offenbar herumgesprochen, dass er wieder sprach. Der Mann erkundigte sich nach seiner Gesundheit und vergewisserte sich, ob die Angelegenheit keine peinlichen Konsequenzen für sein Vaterland habe. Der Besuch des Bürokraten so spät in der Nacht beunruhigte Jack; er hatte wenig Lust, nach Hongkong abgeschoben zu werden. Doch seine falsche Identität blieb intakt. Ja, antwortete er als Jin Ming, seine Eltern und seine Großeltern seien tot, er habe keine Verwandten mehr in China. Er hatte darauf geachtet, sich eine Legende ohne Familie zu erschaffen. Der chinesische Diplomat äußerte seine Sorge um Jacks Wohlergehen, und er versicherte dem Mann, dass er das unschuldige Opfer eines Verbrechens sei. Er bedankte sich bei ihm, und als der Beamte fort war, starrte Jack eine ganze Weile das Fenster an.
Er fragte sich, ob ihn seine Mutter suchte– doch er konnte sich nicht vorstellen, dass sie ihn vermisste. Er hatte noch einmal Glück gehabt, großes Glück sogar, und er nahm sich vor, in Zukunft mehr Wert auf Sicherheit zu legen.
Er konnte nicht schlafen und stand auf, um sich ein bisschen die Beine zu vertreten.
Die Ärzte hatten ihn ermutigt, regelmäßig eine kurze Strecke zu gehen, und wenn es nur eine kleine Runde auf dem Gang war. Seine Gedanken waren bei Ricki und seiner schwierigen Situation, während er zu seinem Zimmer zurückkehrte. Als er um die letzte Ecke bog, sah er einen Mann, den er nicht kannte, in der Kluft eines Krankenpflegers sein Zimmer betreten.
Der Polizist, der draußen Wache stehen sollte, war fort.
Jack blieb stehen. Der Mann war eher klein und stämmig. Er verschwand in seinem Zimmer und schloss die Tür. Jack kannte den Krankenpfleger, der heute
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