Die letzte Minute: Thriller (German Edition)
hereinflutet und dein Kind vor dir steht, gesund und wohlbehalten.
Ich wollte alles daran setzen, aus dieser Dunkelheit auszubrechen.
Meinen ersten Beschatter entdeckte ich, als ich in die U-Bahn einstieg. Eine Frau von ungefähr sechzig Jahren, das Haar modisch kurz geschnitten, dunkle Brille, blaue Ohrringe. Ich hatte sie schon an einer Hausecke stehen sehen, als ich aus Mr. Bells Wohnung kam. Sie hatte nicht zu mir herübergeblickt. Und jetzt stieg sie einen Wagen vor mir in die U-Bahn ein. Sie hatte mit mir Schritt gehalten, obwohl ich sehr zügig gegangen war.
Ich stieg an der nächsten Haltestelle, in der Seventh Avenue, aus. Sie ebenfalls, inmitten einer kleinen Gruppe von Leuten. Ich verlangsamte meine Schritte und zwang sie, mich zu überholen. Sehr wahrscheinlich hatte sie mindestens einen Partner, jemanden, der mir auf den Fersen blieb, falls sie mich verlor, den ich jedoch bisher übersehen hatte.
Der Frau blieb in der Menge nichts anderes übrig, als vor mir die Treppe zur Straße hinaufzusteigen. Oben musste sie sich entscheiden. Sie schritt entschlossen nach links, ich wandte mich nach rechts. Ich blickte nicht zurück, ob sie kehrtmachte und mir folgte.
Ich ließ mir Zeit, weil ich wissen wollte, wie sie reagieren würde. Außerdem wollte ich meinen zweiten Beschatter entdecken. Ich betrat einen kleinen Laden und schaute mich ein wenig um. Ich nahm eine Flasche Rotwein, ein paar Äpfel und ein Stück Cheddar-Käse. Alles ganz gemächlich, um zu sehen, welcher Fisch anbiss. Außer mir befanden sich noch sieben Kunden in den schmalen Gängen. Ich betrachtete unauffällig ihre Gesichter. Eines kam mir bekannt vor: Er war ebenfalls mit der U-Bahn gefahren. Ende zwanzig, ein bisschen älter als ich, dunkles Haar, Yankees-Kappe, dunkles T-Shirt und eine Jacke, obwohl es ein warmer Tag war. Mit Jacken kann man leicht sein Aussehen verändern, und man kann sie schnell verschwinden lassen. Kopfbedeckungen ebenso.
Ich zahlte an der Kasse und ging zurück zur U-Bahn-Station. Ich sah mich nicht um, doch im Rückspiegel eines geparkten Autos erblickte ich die Yankees-Kappe hinter mir. An der nächsten Ecke betrat ich ein Kleidergeschäft.
In einem der Spiegel an der Decke beobachtete ich, wie er mir folgte. Ich schnappte mir ein knallbuntes Hemd von einem der Regale und fragte eine Angestellte nach den Umkleidekabinen. Sie zeigte mit einer Kopfbewegung nach hinten und meinte, ich könne die Einkaufstüte aber nicht mitnehmen. Als hätte ich vor, dieses schauderhafte Hemd zu klauen. Ich gab ihr die Tüte, damit sie sie unter der Theke aufbewahrte, und ging in den Umkleidebereich. Vier Schwingtüren wie in einem Saloon, ein Schneidertisch mit einem dreiteiligen Spiegel. Ich betrat eine der Kabinen und wartete.
Falls er gesehen hatte, dass ich nur ein Hemd zum Anprobieren mitgenommen hatte, würde er vielleicht warten. Vielleicht war ihm entgangen, dass ich ihn entdeckt hatte; ich hatte ihn nie direkt angesehen.
Und so beschloss ich zu prüfen, ob dieses bunte Kaleidoskop von einem Hemd nicht doch seine Vorzüge hatte.
Fünf Minuten. Zehn. Die Verkäuferin war noch nicht gekommen, um nach mir zu sehen. Dann hörte ich ihn. Ich wusste, dass es er war, weil er ganz vorsichtig eine der Schwingtüren öffnete. Dann die nächste. Hätte er nur etwas anprobieren wollen, so hätte er gleich die erste Kabine genommen.
Falls ich mich irrte, würde ich mich entschuldigen.
Er drückte die Tür zu meiner Kabine ein Stück weit auf, und ich packte seine Hand. Ich zog ihn herein und knallte ihn mit dem Kopf gegen die Wand. Er stöhnte, und ich hämmerte ihn noch einmal gegen die Wand.
Ich riss seinen Arm bis zu den Schulterblättern hoch und checkte sein linkes Ohr. Nichts. Rechtes Ohr. Da war er, wie ein winziger beigefarbener Wachsfleck. Diese Ohrstöpsel werden jedes Jahr kleiner. Ich griff hinunter und riss das Kabel für sein Mikro unter dem Hemd heraus.
» Wer hat dich geschickt?«, fragte ich.
Er gab keine Antwort.
» Special Projects?« Die geheime CIA -Abteilung, für die ich gearbeitet hatte. Diese Leute können offenbar nicht loslassen.
Er schwieg, versuchte seinen Arm zu befreien. Ich hielt ihn weiter oberhalb des Handgelenks fest, am Stoff seines Hemds.
Ich sehe es nicht ein, jemandem hundert Chancen zur Kooperation zu bieten. Ich schlug zweimal zu, auf die Stelle zwischen Hals und Schulter, und er brach zusammen. Ich nahm das Mikro und den Ohrstöpsel, steckte ihn in mein Ohr und schaltete ein.
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