Die letzte Mission
Veranstalter, Roadies, Freunde der Bandmitglieder. Und sie erkannten ihn auch. Der Hocker, den er im Auge gehabt hatte, war im Handumdrehen leer, und nachdem er Platz genommen hatte, wurden die Hocker links und rechts von ihm ebenfalls freigemacht.
Er bestellte sich ein Bier beim Barkeeper und sah zu, wie die Menge hereinströmte und sich im Laufschritt auffächerte, um sich die besten Plätze für das Konzert zu sichern. Es dauerte keine Minute und die Hocker neben ihm waren wieder besetzt, mit Leuten, die offenbar noch nie etwas davon gehört hatten, dass in weiten Kreisen der alternativen Musikszene die Meinung vorherrschte, er wäre eine von der Regierung konstruierte Killermaschine und könnte jeden Moment zuschlagen.
Wie immer war er erstaunt darüber, wie unterschiedlich die vielen Zuschauer zusammengesetzt waren: Es war alles vertreten, von Dreadlocks und Batik bis hin zu rasierten Schädeln und Lederjacken. Elise hatte eine sonderbar universelle Attraktivität – was heißen sollte, dass sie von Spinnern aller Art geliebt wurde. Sie spielte inzwischen nur noch selten live, und wenn, waren ihre Konzerte innerhalb weniger Stunden ausverkauft. Er griff nach seiner Brieftasche, aber der Barkeeper schüttelte nur den Kopf und schob ihm das Bier über die Theke. Der kostenlose Drink schien das Interesse, das seine Baumwollhose und das Poloshirt bei zwei gefährlich aussehenden Skinheads neben ihm hervorgerufen hatten, noch zu verstärken.
Sie hatten ja Recht. Er hätte gar nicht hier sein sollen, aber die Begegnung mit Fade und das darauf folgende Chaos hatten ihn aus seiner Routine gerissen. Es war fast so, als würde die Zeit rückwärts laufen – er war wieder das gewalttätige Nervenbündel, das die Ausbildung bei den Spezialeinheiten für eine Weile aus ihm gemacht hatte. Er brauchte etwas, das ihn daran erinnerte, dass er nicht mehr diese Person war, die er im Grunde genommen nie hatte sein wollen.
Außerdem war das Risiko nicht sehr groß. Fade würde gar nicht erst auf die Idee kommen, dass er dumm genug war, auf einem Konzert seiner Frau aufzutauchen. Viel zu offensichtlich.
Er war beim zweiten Bier angelangt, als er sich auf lautes Gebrüll der Menschenmenge hin auf seinem Barhocker umdrehte, gerade noch rechtzeitig, um eine junge Frau mit quietschgrünen Haaren und einer Bassgitarre im gleichen Farbton auf die Bühne kommen zu sehen. Von den Bandmitgliedern war sie diejenige, die er am wenigsten leiden konnte – ein hinterhältiges Luder, das sich große Mühe gegeben hatte, ihm klar zu machen, dass es bis über beide Ohren in seine Frau verschossen war, was es allen anderen jedoch verheimlichte. Selbst Elise wusste nichts davon. Als Nächstes kam der Geigenspieler, ein unglaublich begabter und unglaublich dünner Mann mit einer unkontrollierbaren Gier nach Heroin und der noch unkontrollierbareren Wahnvorstellung, Egan wäre ein Spitzel der Drogenfahndung. Schließlich trat Erik ins Licht der Scheinwerfer hinaus, der ein durch und durch sympathischer Mensch war. Außer Elise war er der Einzige in der Band, der ihn hinter seinem Rücken nicht als »Babykiller« bezeichnete. Gott sei Dank gab es Schlagzeuger.
Das Gebrüll schlug in lautes Kreischen um, als Elise auf die Bühne kam, in einem schwarzen Minirock und einer eher biederen weißen Bluse, die ihrer Mutter gehört hatte. Sie stöpselte eine silbrig schimmernde Gitarre ein, die er ihr vor ein paar Jahren zu Weihnachten geschenkt hatte, nachdem er einen Kredit dafür aufgenommen hatte. Zuerst sang sie ein paar Zeilen a cappella in ihr Mikrofon, dann donnerte sie mit der Hand in die Saiten und erzeugte eine Wand aus Klängen, die sich anhörte, als würde gleich der Spiegel hinter ihm zerspringen. Wie vorherzusehen war, flippten die Zuschauer in der Nähe der Bühne aus – sie drehten sich wild um sich selbst und sprangen sich mit kindlicher Begeisterung gegenseitig an. Früher hatte er das für Randale gehalten.
Egan steckte sich ein Paar Ohrstöpsel, die eine Spezialanfertigung waren, in die Ohren und beobachtete seine Frau, die einen Fuß auf einen Bildschirm stellte und ihr schwarzes Haar ins Gesicht fallen ließ. Er konnte sich nur schwer vorstellen, wie er reagiert hätte, wenn ihm vor zehn Jahren eine Wahrsagerin gesagt hätte, dass er eines Tages mit neunhundert anderen Leuten in einer Konzerthalle sitzen und seiner Frau unter den Rock schauen würde, während sie versuchte, eine Gitarre zu zerstören, für die er noch sieben Raten
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