Die letzte Mission
abstottern musste. Und dass er dabei glücklicher sein würde, als er es sich je hatte vorstellen können.
Was hätte ihm die Wahrsagerin wohl heute zu sagen? Würde sie ihm erzählen, dass er alles verlieren würde, jetzt, da er es endlich bekommen hatte?
Als ihm jemand auf die Schulter tippte, sah er auf. Das Licht war inzwischen etwas sprunghaft geworden, sodass er zuerst nur eine ein Meter achtzig große Silhouette vor sich sah, die ein vage asiatisch wirkendes Hemd und eine Jeans trug. Als einer der wandernden Spots den Spiegel hinter der Bar traf, entstand ein kurzer Lichtblitz, und er sah die braune Haut des Mannes, kurzes dunkles Haar und eine Brille mit blau getönten Gläsern auf einer markanten Hakennase.
Halb sprang er von seinem Barhocker, halb fiel er, und plötzlich lag er mitsamt seinem Bier im Schoß des Mannes, der neben ihm saß. Dieser wurde verständlicherweise wütend und schubste Egan von hinten, der zu Boden stürzte und auf allen vieren landete. Als er sich wieder aufgerappelt hatte, war der Skinhead, den er mit Bier übergossen hatte, aufgestanden und kam auf ihn zu. Er sah aus, als würde er hundertzwanzig Kilo wiegen, und war ein Problem, das Egan zurzeit überhaupt nicht gebrauchen konnte.
Er machte sich auf den unvermeidlichen Aufprall gefasst, doch bevor es dazu kommen konnte, donnerte Fade dem Mann seinen ausgestreckten Arm auf die Kehle und riss ihn von den Füßen. Als der Skinhead am Boden lag, folgte ein gelangweilt wirkender Fußtritt, bei dem die silberne Spitze von Fades Cowboystiefel auf die Schläfe des Mannes traf.
Egan sah aus den Augenwinkeln, wie zwei Rausschmeißer im Laufschritt auf sie zukamen. Er versuchte, sowohl die beiden als auch Fade, der sich gesetzt hatte und vor dem plötzlich sehr blass aussehenden Barkeeper mit einem Zehndollarschein herumwedelte, im Auge zu behalten.
»Halt!«, brüllte Egan so laut, dass er das Feedback übertönte, das aus der Gitarre seiner Frau kam. Die Rausschmeißer kannten ihn und blieben stehen. Fade beäugten sie misstrauisch, aber zum Glück machten sie keine Bewegung auf ihn zu. Egan deutete auf den Mann, der reglos am Boden lag, und dann auf die Tür. Die beiden Rausschmeißer packten den Skinhead an seiner Jacke und schleiften ihn in Richtung Ausgang, während ihre Blicke immer wieder zu Fade gingen, der inzwischen lässig auf einem Barhocker thronte und ein Budweiser trank.
Egan sah sich um, vergewisserte sich, dass alles wieder so weit unter Kontrolle war, wie man das bei einem Konzert seiner Frau erwarten konnte, und nahm die Ohrstöpsel heraus.
»Ich hab dich unterschätzt«, rief er, während er sich setzte und ein neues Bier bestellte. »Gut geraten.«
»Ich würde das Lob ja gern annehmen«, antwortete Fade, der sich zu ihm herüberbeugte, damit er ihn verstehen konnte, aber trotzdem einen gewissen Abstand hielt. »Aber ich habe die Eintrittskarte schon vor Wochen gekauft. Deine Frau ist brillant. Eigentlich habe ich dich ja mehr als Fan von Village People in Erinnerung.«
Egan gab dem Barkeeper einen Zwanziger und bedeutete ihm, das Wechselgeld zu behalten.
»Matt, wer ist das an der Bassgitarre? Sie ist niedlich, wie eine Figur aus einem japanischen Zeichentrickfilm.«
»Ich stell sie dir gerne vor.«
»Lieber nicht. Jetzt ist gerade keine gute Zeit dafür, eine Beziehung zu beginnen … Wie geht es deiner Schwester?«
»Gut. Sie ist mit einem Anwalt verheiratet und hat drei Kinder. Sie spielt jetzt Golf.«
Fade lächelte und drehte sich um, damit er die Show besser sehen konnte. »Das freut mich.«
Egan wusste nicht, was sie sich sonst noch zu sagen hatten, daher saßen sie einfach nur da und taten so, als würden sie Elise zusehen. In Wirklichkeit beobachteten sie sich gegenseitig.
Egan trug eine Pistole hinten im Hosenbund – er hatte gewusst, dass die Türsteher ihn nicht durchsuchen würden. War es Fade gelungen, eine Waffe hereinzuschmuggeln? Spielte das eine Rolle? Überall waren Leute – sie standen so dicht gedrängt, dass man sogar hier an der Bar noch angerempelt wurde, wenn die Menge sich bewegte. Die Waffe würde dort bleiben müssen, wo sie war.
»Glaubst du, wir haben etwas ausrichten können?«, sagte Fade schließlich.
»Was meinst du damit?«
»Ich meine, was hatte es für einen Sinn, dass wir irgendwo auf der Welt unseren Arsch riskiert haben und, wenn es vorbei war, zu Hause auf die Beerdigung unserer Freunde gegangen sind? Die Afrikaner schlachten sich immer noch gegenseitig
Weitere Kostenlose Bücher