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Die letzte Nacht der Unschuld

Die letzte Nacht der Unschuld

Titel: Die letzte Nacht der Unschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: India Grey
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Sohn nicht Alex hieß, sondern Alexander. Wie Alessandro, Cristianos zweiter Vorname. „Nein, das hat er von seinem Vater.“
    Schwester Watson stand entschlossen auf und zeigte Colleen damit, dass das Gespräch beendet war und sie Wichtigeres zu tun hatte, als sich die persönlichen Tragödien alleinerziehender Mütter anzuhören. Noch dazu Mütter, die durch die Weltgeschichte gondelten, während ihre Kinder im Krankenhaus lagen. „Nun, von wem auch immer er das hat, es ist gut, dass er es hat. Noch ist er nicht über den Berg, aber jetzt, da seine Mum bei ihm ist, kommt er bestimmt bald wieder auf die Beine.“
    Colleens Stiefel quietschten bei jedem Schritt leise auf dem Linoleum, während sie Schwester Watson den Korridor entlang zu Alexanders Zimmer folgte.
    Als sie die Tür öffnete, stand Dominic von dem Stuhl neben dem Krankenbett auf. „Was hat sie gesagt?“
    „Dass ich eine Rabenmutter bin und es Alexander viel besser ginge, wäre ich früher hier gewesen.“
    „Colleen, nicht.“ Dominic seufzte.
    „Na schön, so genau hat sie es nicht gesagt.“ Colleen trat zum Bett. Ihr Herz zog sich zusammen, als sie ihren kleinen Jungen so blass dort liegen sah. Bei all den Schläuchen und Drähten war es nahezu unmöglich, eine Stelle zu finden, wo sie ihn berühren konnte. „Ich weiß nicht mehr, was sie gesagt hat“, murmelte sie. „Wörter, eben. Noch nicht über den Berg … reagiert gut auf die Medikamente … Gott, Dominic, er sieht so …“ Ihre Stimme brach. „… so hilflos und krank aus.“
    Er kam um das Bett herum und legte den Arm um ihre Schultern. „Das ist nur wegen der vielen Maschinen. Sieh doch nur, wie friedlich er schläft.“
    Dominic verschwieg ihr, dass Alexanders Weinen vorher auf der gesamten Station zu hören gewesen war und dass der friedliche Schlaf vor allem dem Morphium zu verdanken war. Es erschreckte Dominic zutiefst, wie miserabel Colleen aussah. Die Ärzte hatten gesagt, Alexander würde sich wieder völlig erholen. Aber er war nicht sicher, ob man das von Colleen auch sagen konnte. In dem schwarzen Kleid, mit dem bleichen Gesicht und den tiefen Ringen unter den Augen wirkte sie fast, als wäre sie schon gestorben.
    „Seit wann ist er so?“, fragte sie schließlich. „Wann hat es angefangen? Wie habt ihr es gemerkt?“
    Mit einem schweren Seufzer stellte Dominic sich ans Fenster. „Wie ich dir schon sagte … gestern Morgen beim Aufwachen fühlte er sich nicht wohl. Erst dachten wir, es läge daran, dass er dich vermisst. Er sagte, sein Kopf tue weh. Lizzie hat Fieber gemessen und ihm Paracetamol gegeben. Damit ging es ihm besser, doch gegen Abend wurde es wieder schlimmer. Lizzie hat dann den Arzt kommen lassen.“
    „Ich habe angerufen, aber niemand hat sich gemeldet.“ Mit schlechtem Gewissen dachte Colleen daran, wie sie träumend in der Küche des Chalets gestanden und Cristiano beim Holzhacken beobachtet hatte.
    „Wir wollten dich nicht anlügen, aber du solltest dir auch keine Sorgen machen, deswegen sind wir nicht ans Telefon gegangen.“ Dominic rieb sich mit der Hand übers Gesicht. „Ich muss mich entschuldigen, Colleen, ich hätte …“
    Er brach ab, und erst jetzt fiel Colleen auf, wie müde er aussah. Das Schuldgefühl zerriss sie fast. „Oh Dominic, es tut mir so leid.“ Sie ging zu ihm. „Lizzie und du, ihr seid so gut zu mir und Alexander, die ganze Zeit über. Ich werde euch nie genug danken können dafür, dass ihr euch um ihn gekümmert habt.“ Sie senkte den Kopf. „Ich hätte niemals wegfahren dürfen.“
    „Hat es sich wenigstens gelohnt? Ich meine, abgesehen von dem, was mit Alexander passiert ist.“
    Colleen holte tief Luft. „Ja.“ Schmerz stand in ihren Augen, als sie Dominic ansah. „Denn jetzt habe ich Klarheit. Es gibt keine Zukunft für uns. Die hat es wohl nie gegeben.“
    Es war fast dunkel, als Cristiano zum Chalet zurückkehrte. Sein ganzer Körper schmerzte von neun Stunden Skifahren. Er hatte sich selbst bis zum Äußersten und zudem ein gefährliches Spiel mit seinem Glück getrieben.
    Die willkommene Lethargie, die ihn in Colleens Gesellschaft erfüllt hatte, war mit ihrer Abreise ebenfalls verschwunden. Ohne sie hatte die Rastlosigkeit ihn sofort wieder befallen. Er hatte geglaubt, die Unruhe mit Adrenalin bekämpfen zu können, war in rasantem Tempo die riskanten und gesperrten Hänge hinabgefahren, nur um feststellen zu müssen, dass es alles nichts geholfen hatte.
    Kaum betrat er das Haus, in dem der Geruch

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