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Die letzte Nacht der Unschuld

Die letzte Nacht der Unschuld

Titel: Die letzte Nacht der Unschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: India Grey
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Schwesternstation zurück. Sie hatte sich kaum gesetzt, als die Klingel der Stationstür ertönte. Die Überwachungskamera der Kinderstation übertrug das Bild des fleischgewordenen Traummannes einer jeden Frau, und fast hätte Schwester Parks sich an ihrem Tee verschluckt. „Ja?“, fragte sie perplex in das Mikro.
    „Ich möchte zu Alexander Edwards.“ Selbst mit dem Kratzen der Sprechanlage wirkte die heisere, eindeutig italienische Stimme unglaublich sexy.
    „Tut mir leid, aber die Besuchszeit beginnt erst um zehn. Ausnahmen kann ich nur für Angehörige machen“, stammelte sie und ärgerte sich maßlos, dass sie nach der langen Nachtschicht Ringe unter den Augen haben musste und keinen Lippenstift trug.
    „Ich bin Angehöriger. Alexander ist mein Sohn.“
    Mein Sohn. Mio figlio .
    In Gedanken hatte Cristiano diese zwei Worte während der letzten zwölf Stunden geübt, seit er sie auf dem zerrissenen Blatt Papier gelesen hatte. Aber es war das erste Mal, dass er es laut vor einem anderen Menschen aussprach. Es war ein seltsames Gefühl.
    Mit gesenktem Kopf drückte er die Tür auf. Der Geruch nach Desinfektionsmitteln versetzte ihn sofort zurück in die Zeit des eigenen Krankenhausaufenthalts, und er spürte, wie ihm der Schweiß auf die Stirn trat. Die blonde Schwester hinter dem Empfangstresen presste die Lippen zusammen, so als hätte sie noch schnell Lippenstift aufgetragen, und nannte ihm mit dem Lächeln einer Stewardess die Zimmernummer.
    „ Grazie .“ Cristiano hatte schon einen Schritt über den Korridor gemacht, als er sich wieder umdrehte. „Wie geht es ihm?“, fragte er mit seltsam rauer Kehle.
    Die Krankenschwester lächelte noch strahlender. „Es stand ziemlich schlimm um ihn, aber jetzt ist er auf dem Weg der Besserung. Er ist ein richtiger kleiner Kämpfer.“
    Druck legte sich auf Cristianos Brust, so als zerre jemand an seinem Herzen. Er nickte knapp und ging den Korridor hinunter. In den letzten zwölf Stunden hatte er sich durch einen Schneesturm in den Alpen gekämpft und endlos in Lyon warten müssen, bis das Wetter einen Flugzeugstart zuließ. Und in all der Zeit hatte die Wut in ihm gebrannt wie ein Fieber. Doch jetzt, in dem Moment, als er das Krankenzimmer betrat, verpuffte diese Wut mit einem Schlag. Er fühlte nur noch …
    Dio mio.
    Als Erstes fiel sein Blick auf Colleen, und er konnte ihn nicht mehr von ihr reißen. Sie saß vor dem Bett, die Arme auf die Bettkante gefaltet, den Kopf auf die Arme gelegt – wie ein müder Botticelli-Engel. Die Augen hielt sie geschlossen, dunkle Ringe der Erschöpfung lagen darunter, bildeten einen deutlichen Kontrast zu ihrer fahlen Haut. Sie sah so müde und entkräftet aus, dass Cristiano an sich halten musste, um nicht zu ihr zu eilen und sie in die Arme zu ziehen.
    Dann fiel sein Blick auf den kleinen Jungen in dem Bett, und etwas in seiner Brust zerriss. Er ging weiter in das Zimmer hinein, um an den Schläuchen und Kabeln vorbei das schlafende Kind sehen zu können. Ein Rauschen dröhnte in seinen Ohren, als er seinem Sohn zum ersten Mal ins Gesicht blickte – und sich selbst erkannte, wie er als Junge ausgesehen hatte.
    Was er in diesem Augenblick fühlte, ließ alle anderen Gefühle, die er je gehabt hatte, zur Unwichtigkeit verblassen. Ein Kloß saß in seiner Kehle, als er die Hand ausstreckte und vorsichtig mit den Fingerspitzen über die weiche Wange strich.
    Die Haut war etwas heller als seine eigene und das Wunderbarste, was Cristiano je berührt hatte. Weich wie die seiner Mutter, dachte er. Das Kind rührte sich, öffnete die Lippen und stieß einen herzhaften Seufzer aus.
    Cristiano zog die Hand zurück. Er wollte den Jungen nicht aufwecken. Auf der anderen Bettseite hob Colleen abrupt den Kopf, als hätte der Mutterinstinkt sie aufschrecken lassen. Ihr Blick ging besorgt zu Alexanders Gesicht, sodass sie die große Gestalt zuerst nicht bemerkte.
    Bis Cristiano sprach. „Er ist wunderschön.“
    Erschrocken und mit hämmerndem Herzen sprang sie auf. „Cristiano … was tust du hier?“
    Die Gedanken überschlugen sich in ihrem Kopf, Adrenalin pumpte heiß durch ihre Adern. In dem sterilen Krankenzimmer wirkte Cristiano überwältigend, seiner männlichen Schönheit haftete etwas Gefährliches an. Sein Haar war wirr, dunkle Bartstoppeln standen auf Kinn und Wangen. Den Kragen des schwarzen Mantels hatte er aufgeschlagen, und in seinen Augen glühten die Emotionen.
    „Ich bin hier, um meinen Sohn zu sehen.“
    Seine

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