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Die letzte Nacht der Unschuld

Die letzte Nacht der Unschuld

Titel: Die letzte Nacht der Unschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: India Grey
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den Kopf. „Nein, ich möchte nur schnell nach Hause.“ Je weiter sie ins Tal kamen, desto befahrbarer wurden die Straßen. Doch der Nebel war auch hier überall und versperrte den Blick auf die Berge. Der Verkehr wurde dichter, schließlich war es ein Wochentag.
    „Wie albern“, murmelte Colleen wie zu sich selbst. „Da habe ich die ganze Zeit über Angst vor Dingen, die nie passiert sind – Flugzeugabstürze und Unfälle. Ich wollte die Welt für ihn so sicher wie möglich machen. Und jetzt das …“ Sie sog scharf die Luft ein. „Ich hätte bei ihm bleiben sollen, ich hätte niemals wegfahren dürfen.“
    Cristiano umklammerte das Lenkrad, bis seine Finger schmerzten. „Sag das nicht.“ Er stieß die Worte zwischen zusammengepressten Zähnen aus. „Sich schuldig zu fühlen, macht alles nur noch schlimmer.“
    Sie wandte ihm das Gesicht zu. „Wieso sagst du das?“
    „Ich weiß es aus Erfahrung.“
    Die Tachonadel zitterte, als er das Gaspedal weiter durchtrat. Neben ihm schien Colleen stumm darauf zu warten, dass er seine Bemerkung erklärte. Nun, darauf konnte sie lange warten. Er hatte noch niemandem von seiner Vergangenheit erzählt, und er würde jetzt nicht damit anfangen. Es war schwer genug, mit der eigenen Hölle zu leben, ohne sich auch noch anhören zu müssen, wie andere ihn verurteilten.
    Eine Polizeisirene ertönte hinter ihm. Er schaute in den Rückspiegel und sah den Streifenwagen, der ihn mit Blaulicht an den Straßenrand winkte. Cristiano schaute wieder auf die Tachonadel und fluchte.
    Ein dummer und völlig unnötiger Fehler. Der Campano war auffällig genug, auch ohne die Geschwindigkeitsbegrenzung so massiv zu überschreiten. Er hätte sein Glück besser nicht herausfordern sollen.
    Cristiano bremste ab und lenkte den Wagen an den Straßenrand. Die Sirene wurde abgestellt, als der Streifenwagen hinter ihm parkte. Das Blaulicht blinkte jedoch weiter und fiel durch das Wageninnere auf das Armaturenbrett. Colleen starrte wie hypnotisiert auf die flimmernden Farben.
    Von draußen hörte sie die Unterhaltung in schnellem Französisch. Schmerz flammte in ihr auf, als sie sich an jene Nacht in Monaco erinnerte, in der Cristiano ihr von seiner Mutter erzählt hatte. Welche Opfer sie gebracht hatte, um ihm eine Ausbildung zu ermöglichen, und wie sehr er sie mit seinen schulischen Leistungen enttäuscht hatte. Sie müsste ihn jetzt hören, dachte Colleen mit einem Anflug von schwarzem Humor. Er war brillant.
    Durch das Seitenfenster konnte sie ihn sehen – von den Oberschenkeln bis zu den schmalen Hüften und dem flachen Bauch. Hastig wandte sie den Blick wieder ab. Ihre Kehle brannte, sie wrang die Hände im Schoß. Durch die lähmende Angst um ihr Kind bahnte sich die Sehnsucht nach Cristianos Stärke, nach seiner tröstenden Zusicherung. Doch sobald er von ihrem Sohn gehört hatte, hatte er sich noch weiter zurückgezogen. Als er von Schuldgefühlen sprach, hatte sie für einen kurzen Moment gehofft, er würde sich ihr öffnen, doch vergeblich.
    Sie presste die Augen zusammen. Oh Gott, bitte lass Alexander wieder gesund werden. Lass mich schnell zu ihm gelangen, flehte sie stumm. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatten alle ihre Gebete Cristiano gegolten. Aber das schien jetzt nur noch albern. Dumm und egoistisch. Wenn Alexander wieder gesund wird, fügte sie in Gedanken an, werde ich nie wieder um etwas für mich bitten.
    Sie öffnete die Augen und lockerte die verkrampften Finger.
    Der Polizist sah in den Wagen hinein und musterte sie durchdringend. Auf ihn musste sie wahrscheinlich leicht wirr wirken. Schließlich richtete er sich wieder auf.
    Warum dauerte das so lange? Als sie noch einmal zur Fahrerseite hinausschaute, sah sie Cristiano etwas unterschreiben. Er gab das Stück Papier an den Polizisten zurück und schüttelte dem Mann die Hand. Sekunden später zog er die Tür auf und glitt wieder hinters Steuer. Schneeflocken hatten sich in seinem Haar verfangen, und Colleen wurde bewusst, dass er nur das T-Shirt trug, das er auch gestern angehabt hatte. Er musste doch frieren …
    Sie setzte sich auf ihre Hände, damit sie nicht der Versuchung erlag, ihn zu berühren. „Ein Strafzettel wegen Geschwindigkeitsübertretung?“
    „Nein.“ Der Motor startete mit einem sonoren Röhren. „Ein Autogramm. Und ein paar Freikarten für die Tribüne in Monaco.“
    Der Streifenwagen zog mit eingeschalteter Sirene an ihnen vorbei und machte ihnen den Weg frei. Pendler und Urlauber mit

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