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Die letzte Nacht

Die letzte Nacht

Titel: Die letzte Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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im Griff.
    Filippo parkte hinter Salviatis Haus, wie dieser ihm befohlen hatte, und versteckte den Wagen im Gestrüpp. Er schaltete die Scheinwerfer aus, ließ den Motor laufen und wartete. Vor dem Haus machte die Straße eine Kurve, kurz dahinter verzweigte sie sich. In der einen Richtung führte sie ins nächste Dorf, in der anderen zum Vorplatz einer Militäranlage und von dort zurück auf die Kantonsstraße des Monte Ceneri.
    Filippos Wagen stand hinter dem Haus und war von der Fahrbahn aus nicht zu sehen. Innerhalb kürzester Zeit konnte er das nächste Dorf erreichen, oder den Abzweig zu den Kasernen nehmen. Salviati hatte ihm gesagt, er solle sich bereithalten, um in letztere Richtung zu fahren.
    Bei all dem Nebel ringsum schien Salviatis Haus am Rande des Nichts zu schweben. Hinter dem Gebüsch starrte Filippo unverwandt auf den Zipfel Straße vor dem Tor. Dennoch sah er den Mercedes erst in letzter Sekunde. Seine Hände umklammerten das Lenkrad. Aktion. Nichts, außer die Handlungen, die er, eine nach der andern, dem Plan entsprechend zu vollziehen hatte.
    Der Mercedes hielt ein paar Meter vor dem Haus. Der Fahrer stellte den Motor ab. Eine der hinteren Türen wurde geöffnet und Salviati stieg aus. Allein. Filippo sah, dass er auf die Garage und dann auf das Haus deutete, während er mit dem Mann hinterm Steuer sprach. Einer der drei Begleiter kam aus dem Wagen, schloss die Tür und entfernte sich gemeinsam mit Salviati. Der öffnete das Tor. Sie liefen langsam über den Eingangsweg, betraten das Haus und ließen die Tür angelehnt. Sie bewegten sich wie in Zeitlupe.
    Fünfzehn Sekunden später sah Filippo, dass Salviati aus einem der Fenster auf der Rückseite kletterte. Seine Bewegungen hatten nichts Langsames mehr an sich. Er rannte über die Wiese, zwängte sich ins Gebüsch und erreichte den versteckten Wagen. Er riss die Tür auf, setzte sich und sagte:
    »Fahr!«
    Filippo dachte nicht nach, stellte keine Fragen. Er fuhr über die Wiese und erreichte die Nebenstraße. Er gab Gas, ohne auf den Nebel zu achten. Er erreichte den Vorplatz der Militäranlage. Er überquerte den Parkplatz, fuhr an den Schranken zum Sperrgebiet vorbei, und nahm den Weg, der wieder auf die Kantonsstraße führte.
    »Lina?«, fragte Salviati. »Ist Lina frei?«
    Filippo war zu angespannt. Er musste schlucken, bevor er sprechen konnte:
    »Ja, sie ist frei … meinst du, dass sie uns verfolgen?«
    »Lina … endlich!« Salviati atmete tief durch. »Ja, ich denke schon, dass sie uns verfolgen. Einen habe ich im Wohnzimmer eingeschlossen, aber die Eingangstür war offen.«
    »Vielleicht fahren sie zurück auf die Kantonsstraße und schneiden uns den Weg ab.«
    »Das glaube ich nicht. Sie wissen nicht, dass man auch so herum auf die Kantonsstraße kommt. Außerdem ist es nicht so einfach, bei dem Nebel den Weg zu finden.«
    »Willst du mir erzählen, du hättest auch den Nebel eingeplant?«
    Filippo schaffte es nicht, sich zu beruhigen.
    »Nein.« Salviati schüttelte den Kopf. »Ich hab vor allem auf den Überraschungseffekt gesetzt.«
    Nach ein paar Kurven mündete der Weg wieder auf die Kantonsstraße. Filippo fühlte sich besser, als er bemerkte, dass tatsächlich nirgends eine Spur von dem Mercedes war. Er warf Salviati einen Blick zu und sagte:
    »Aber wie hast du es geschafft …?«
    »Später«, unterbrach ihn Salviati. »Erzähl erst mal von Lina. Was ist passiert? Hatte Elia recht?«
    »Ja. Er hat mir eine Nachricht geschickt, dass sie frei ist. Das bedeutet, dass sie die beiden tatsächlich in Marellis Wohnung in Massagno festgehalten haben, und dass …«
    »Aber wie geht es ihr? Wie geht es Lina?«
    »Contini hat geschrieben, dass es ihr gut geht.«
    »Wir haben es geschafft.« Salviati lehnte sich zurück. »Ich kann’s kaum glauben, wir haben es geschafft!«
    »Aber sie haben das Geld.«
    »Hör auf.« Salviati schloss die Augen. »Was hat das mit dem Geld zu tun?«
    Contini konnte nicht anders, er machte sich Vorwürfe.
    Er kannte Salviati gut und hätte wissen müssen, dass er dickköpfig war wie kaum ein Zweiter. Einer, der einen Plan ausheckt und einen Alternativplan und einen Gegenplan und einen Notplan und vielleicht sogar einen Reserveplan. Einer, der die Operation Junker-Bank organisiert, und am Ende stellt sich heraus, dass er, wie üblich, seinen eigenen Kopf durchsetzt.
    Sie waren noch immer hier in Marellis Wohnung, Contini und Malaspina. Elton war nach wie vor gefesselt und machte den Mund nicht auf.

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