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Die letzte Nacht

Die letzte Nacht

Titel: Die letzte Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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Aufmerksamkeit der beiden Männer auf sich. Sie kam von oben, aus der Nähe der Kirche. Contini und Salviati näherten sich, und als sie um die Ecke bogen, fanden sie sich inmitten eines kleinen irischen Festivals wieder.
    Junge Männer in grünen T-Shirts, Frauen mit im Nacken geflochtenen Zöpfen. Whiskey-Verkostungen und Postkarten aus Dublin. Auf einer improvisierten Bühne spielte ein Mädchen in folkloristischer Tracht Flöte, während sich ein kräftig gebauter Typ mit Schnauzbart um die Percussion kümmerte. Contini und Salviati liefen durch die Menge wie zwei Müßiggänger. Salviati sah sich um, die Hände in den Hosentaschen. Contini probierte ein Glas Guinness Dry Stout, das angeblich beste Dunkelbier Irlands, zumindest nach Aussage desjenigen, der es verkaufte. Trotz des irischen Ambientes sah er überall die gewohnten Flip-Flops, hörte den gewohnten Tessiner Tonfall, die gewohnten Gespräche. »Das neue Auto von Soundso, ist dein Urlaub schon vorbei, oder, dieses Jahr beginnt die Fußballmeisterschaft eher …«
    Contini gab Salviati ein Zeichen, das dieser ohne weitere Worte verstand. Von einer Ecke des Platzes aus ließ sich Forsters Haus perfekt beobachten.
    Salviati hatte eine vage Idee. Während Contini etwas zu essen besorgte, behielt er die Fenster im Blick, das Hinein und Hinaus an der Eingangstür. Leider hatte er nicht viel Zeit. Er musste rasch handeln, solange sie noch nicht damit rechneten.
    Ein Dieb in der Nacht, nach alter Tradition.
    An diesem Abend wechselten sie sich ab, merkten sich jede Bewegung um das Haus herum. Gegen zwei waren alle Lichter erloschen; und soweit sie beobachtet hatten, lebten drei Personen in dem Haus: Forster, einer seiner Mitarbeiter und eine Frau, die kochte. Salviati hatte auch herausgefunden, welches die jeweiligen Zimmer waren. Zum großen Glück schlief Forster mit angelehntem Fenster.
    Das irische Fest ging dem Ende entgegen.
    Salviati sagte zu Contini:
    »Warte hier auf mich.«
    Dann näherte er sich dem Eingang, wobei er die verschiedenen Hausfassaden betrachtete, wie jemand, der nach einer ganz bestimmten sucht. Die Straßen im Dorf waren nahezu menschenleer. Ab und zu fuhr eilig ein Auto vorbei. Auch ein Kleintransporter war zu sehen, mit Holztischen und Schildern von alten irischen Pubs beladen: Old Trapper, The Red Lion, Gardner And His Friends.
    Salviati warf einen Blick auf die Klingel an der Eingangstür. Die vage Idee, die er im Kopf hatte, nahm immer konkretere Formen an.
    »Was hast du vor?«, fragte ihn Contini auf der Rückfahrt nach Lugano.
    »Nichts.«
    »Hör mal, ich habe gesehen, wie du das Haus unter die Lupe genommen hast …«
    »Vorläufig heißt es abwarten, hast du gesagt, oder? Also warte ich ab!«
    »Ich kenne dich, Jean. Du machst dir Sorgen um deine Tochter und hast es eilig. Was hast du vor? Zu Forster gehen und ihn bedrohen?«
    »Nein, sei unbesorgt. Ich werde niemanden bedrohen.«
    »Sicher?«
    »Sicher.«
    »Dann will ich dir mal glauben«, sagte Contini.
    Er schob eine Kassette von Aznavour in den Rekorder, und sie fuhren schweigend weiter, in dem von alten französischen Chansons erfüllten Wagen.

10
Süße Träume
    Am nächsten Tag mietete Salviati sich eine Wohnung.
    Er hatte es satt, noch länger in Linas Wohnung zu bleiben; die Nachbarn hätten Verdacht schöpfen können. Außerdem hatte er seine Coups immer in Ruhe vorbereitet, weit weg von den Städten und vom Geld.
    Lina hatte den Wagen in der Garage zurückgelassen, die Autoschlüssel hingen neben der Tür. So konnte sich Salviati frei vom einen Ende des Tessins ins andere bewegen. Beim Durchblättern einer Ausgabe des Cerca & Trova hatte er ein Wohnungsangebot oberhalb von Rivera auf dem Monte Ceneri entdeckt. Es war ein modernes Gebäude, von einem Erlen- und Nussbaumwäldchen umgeben, so als wolle man dessen Anblick verbergen. Nichts deutete auf das Werk eines Architekten hin, und wer es errichtet hatte, hatte sich offenbar an keinerlei Bebauungsplan gehalten.
    Salviati besah sich nicht einmal die Möbel, sondern bedauerte lediglich den Zustand des Gartens. Der Immobilienmakler erklärte ihm, dass die Wohnung bis Ende Juni vermietet gewesen sei. Danach stand sie leer. Salviati zahlte für drei Monate im Voraus. Kaum hatte er sich von dem Makler verabschiedet, setzte er sich vor die Tür und rief – wie er es seit nunmehr vier Tagen tat – bei Matteo Marelli an. Er verlangte sofort mit Lina zu sprechen.
    »Ich weiß nicht«, antwortete Marelli, »ich weiß

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