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Die letzte Nacht

Die letzte Nacht

Titel: Die letzte Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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eines Wasserfalls oder Gewitterblitze in finsterer Nacht.
    Lina schreckte aus dem Schlaf. Laut trommelte der Regen auf das Dach der Hütte. Das Feuer war erloschen. Sie wickelte sich fester in die Decke und lauschte. Sie versuchte, den Atem der beiden Männer im Raum zu unterscheiden, aber der Regen übertönte jedes Geräusch.
    So erhob sie sich von ihrer Liege und schlich langsam um den Paravent herum. Ein paar Sekunden hielt sie inne, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Sie hatte sich keinen Plan zurechtgelegt, aber es kam auf einen Versuch an. Manchmal musste man die Gelegenheit einfach beim Schopf greifen, ohne über die Risiken nachzudenken.
    Elton hatte die Handys von Lina und Matteo beschlagnahmt. Um sie sicher aufzubewahren, wie er mit seinem Backpfeifengesicht erklärte. Abgesehen davon hatte man sowieso nur weiter unten im Tal Empfang. Elton selbst benutzte jedoch ein Satellitentelefon: Er blieb zum Telefonieren sogar in der Hütte.
    Und wenn er es konnte …
    Lina näherte sich der Eingangstür. Daneben, zwischen Herdstelle und Küchentisch, stand ein kleiner Schrank, in dem Elton seine Sachen aufbewahrte. Der Regen übertönte ihre Schritte. Durch die Fenster drang ab und zu der Widerschein eines Blitzes, gefolgt vom Grummeln des Donners. Lina hielt vor jeder ihrer Bewegungen inne und lauschte. Wenn es mir gelingt zu telefonieren, sind wir gerettet. Wenn ich von hier fliehen kann, hat Forster nichts mehr in der Hand. Wenn ich zurückkann, zurück zu dem Punkt, an dem ich nur ein Schuldenproblem hatte, wenn ich freikomme, frei und …
    Genug! Lina zwang sich, einen kühlen Kopf zu bewahren. Sie hockte sich vor den Schrank, streckte die Hand zur Tür und zog vorsichtig. Nichts. Sie zog fester. Abgeschlossen. Mist. Lina hielt inne, atmete tief durch. Nur keine Panik. Der Schrank ist abgeschlossen, aber er ist kein Safe. Bei dem Regen, der jedes Geräusch übertönt, kannst du es schaffen.
    Lina war nicht umsonst durch die Kasinos ganz Europas gezogen. Sie war in der Lage, in Augenblicken höchster Anspannung Ruhe zu bewahren.
    Sie ging in den Küchenbereich, nahm ein Messer und kehrte zurück zum Schrank. Sie steckte das Messer in den Spalt und tastete nach dem Riegel des Schlosses. Ihre Bewegungen waren so langsam, dass sie kaum hörte, wie das Metall auf Metall schlug.
    Ein Donner dröhnte durch die Hütte. Lina hielt inne. Sie wartete ein paar Sekunden, dann versuchte sie, das Messer leicht zu drehen, um den Spalt zu vergrößern. Endlich bekam sie den Riegel zu fassen und hob ihn an. Er löste sich aus der Schließleiste. Lina hörte das Schnappen des Schlosses. Langsam öffnete sie die Schranktüren, vermied ein Knarren. Dort lagen Kleiderstapel, ein Beutel mit dem Nötigsten, um sich zu rasieren und die Zähne zu putzen, ein leeres Pistolenhalfter und … na bitte, das Telefon! Lina ergriff es. Sie würde die Handynummer ihres Vaters wählen. Sie konnte sie auswendig und war sicher, dass er sein Handy nie abschaltete, für den Fall, dass …
    »Was suchst du da?«
    Lina hatte schlagartig das Gefühl zu stürzen. Als habe sich im Fußboden ein Loch aufgetan.
    »Schicksal, dass wir beide uns immer auf diese Weise begegnen müssen«, sagte Elton, »mitten im Wald oder in einem dunklen Zimmer.«
    »Ich hab …«
    »Du hast mein Telefon gesucht. Weshalb?«
    Lina schüttelte den Kopf und schluckte. Sie versuchte, eine Antwort herauszustammeln.
    »Nein, es ist nur … eigentlich wollte ich …«
    Elton verpasste ihr eine Ohrfeige.
    »Ich hab dich gefragt, weshalb du mein Telefon gesucht hast. Willst du nicht antworten?«
    Eine zweite Ohrfeige.
    »Willst du abhauen? Gefällt dir die Vereinbarung nicht, die du mit Signor Forster getroffen hast?«
    Lina schmeckte Blut im Mund. Die beiden Ohrfeigen hatten ihr beinahe die Besinnung geraubt. Sie hockte auf allen vieren.
    »Passt dir unser Plan etwa nicht mehr?«, fragte Elton mit drohender Stimme. Aus dem Augenwinkel sah Lina eine Bewegung. Matteo. Elton war von dem Verhör in Anspruch genommen und hatte Matteo vergessen. Sie musste ihn ablenken.
    »Nein, du hast recht, ich … es stimmt, ich hab dein Telefon gesucht, aber weißt du wieso?«
    »Sag’s mir.«
    Matteo war bis auf wenige Schritte herangekommen. Lina erkannte, dass er ein Stück Holz in der Hand hielt. Sie redete weiter:
    »Ich wollte ganz sichergehen, dass du dein Satellitentelefon hast, dass ich im Zweifelsfall …«
    Lina brach ab, denn Elton hörte ihr nicht mehr zu. Er hatte sich genau in

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