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Die letzte Nacht

Die letzte Nacht

Titel: Die letzte Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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massiver, von einem kleinen Garten umgebener Bau. Um hineinzugelangen, hatte Koller auf einer Tastatur neben dem Eingang einen Code eingegeben. Contini sah verstohlen zu Salviati und sagte:
    »Hoffen wir, dass Viola das mit der Alarmanlage hinkriegt.«
    »Kein Problem«, erwiderte Salviati, einen Becher warmen Kaffee in den Händen. »Nichts Neues für uns.«
    »Nicht mal das.«
    »Tja.«
    Schweigen.
    »Du, Jean …«
    »Hm.«
    »Meinst du, wir kommen da am Ende sauber raus?«
    »Ich hab schon riskantere Dinger gedreht. Wir haben gute Informationen und …«
    »Nein, so meine ich das nicht.«
    »Wie bitte?«
    »Die Polizei … dass sie uns erwischen … das sind Risiken, die man in Kauf nehmen muss.« Contini fuchtelte mit der Hand herum, als wolle er den Gedanken loswerden. »Ich mache mir Sorgen um uns.«
    »Um uns?«
    »Ich weiß nicht, aber denkst du, wir geben Forster das Geld, er lässt Lina frei, und dann ist alles vorbei?«
    »Ich hoffe es.«
    »Aber es geht um zehn Millionen Franken …«
    »Na und? Das Geld kann uns total egal sein!«
    »Ja, schon. Aber es bleibt trotzdem Geld.«
    »Na und?«, wiederholte Salviati. »Worüber zerbrichst du dir den Kopf?«
    »Ich habe noch nie irgendwas gestohlen«, erklärte Contini. »Aber etwas habe ich bei meinem Job gelernt: Wo Geld im Spiel ist, gibt’s Probleme.«
    »Meinst du, wir fangen an zu streiten?«
    »Vielleicht.«
    »Um das Geld?« Salviati wurde allmählich nervös, und er verfiel in einen leicht französischen Akzent. »Ist es das, was du meinst?«
    »Nicht um das Geld, Jean.« Contini legte ihm eine Hand auf den Arm. »Wegen unvorhergesehener Schwierigkeiten, wegen der Anspannung … hör zu, wir sind Freunde und ziehen diese Sache bis zum Ende durch. Aber wir sollten nichts als selbstverständlich voraussetzen, in Ordnung?«
    Salviati zog die Augenbrauen hoch.
    »Ich setze nie irgendetwas als selbstverständlich voraus.«
    »Besser so.«
    Sie nahmen erneut Kollers Haus in den Blick und warteten auf Violas Anruf.
    Matteo rechnete jeden Moment damit, dass Elton erwachte. Aus einem winzigen, anderthalb Meter über dem Boden gelegenen Fensterchen zu steigen, ist keine leichte und vor allem keine geräuschlose Sache. Dennoch schafften sie es, sich durch die Öffnung zu quetschen, erst Lina und dann Matteo. Sie landeten unversehrt und munter vor der Hütte und entfernten sich, ohne dass Elton etwas merkte.
    Lina war aufgeregt.
    »Wir haben’s geschafft, Matteo, wir haben’s geschafft!« Sie warf sich ihm an den Hals und küsste ihn. »Denk nur, wir sind frei!«
    Matteo war nicht ganz überzeugt.
    »Noch sind wir hier.«
    »Ja, aber wir sind endlich draußen! Und schau mal hier!« Lina wühlte ihr Handy aus der Tasche. »Ich habe es gestern Abend aus Eltons Sachen rausgezogen.«
    »Gestern Abend? Das war ganz schön riskant …«
    »Ich habe den richtigen Moment abgepasst. Sobald wir Empfang haben, rufen wir Hilfe!«
    »Hm.« Matteo war skeptisch. »Wen denn, die Polizei?«
    »Dummkopf! Meinen Vater oder Contini.«
    Der Wald war dunkel. Damit hatten sie gerechnet, aber die Nächte in den Bergen sind immer finsterer als man erwartet. Matteo hatte sich den Weg am Tag zuvor eingeprägt. Er führte Lina vom Pfad ab, orientierte sich am Rauschen des Baches zur Linken und lief schräg bergab. Sie würden in Sonlerto genau auf der anderen Seite der Stelle herauskommen, wo der Pfad endete. Die einzige Gefahr waren die Steilabbrüche, die sich überall im Wald befanden. Matteo hatte sich überlegt, wie man sie umgehen konnte, dennoch war bei jedem Schritt Vorsicht geboten.
    »Ich hätte nicht gedacht, dass wir es schaffen«, meinte Matteo, der voranging.
    »Ich kann’s kaum erwarten, nach Hause zu kommen und mich zu duschen«, rief Lina. »Ich will wieder zurück ins Leben. Ich habe genug vom Wald!«
    »Aber wir müssen aufpassen. Forster wird hinter uns her sein.«
    »Na und, soll er doch kommen. Ich werde mir eine Arbeit suchen und ihm diese verdammten Schulden zurückzahlen, und wenn ich Jahre dafür brauche!«
    Matteo wunderte sich über die Veränderung, die mit Lina vor sich gegangen war. Am Anfang hatte sie wie eine schwer zu begreifende, etwas desillusionierte Frau auf ihn gewirkt. Vielleicht weil sie älter war als er. Später hatte er – was beinahe unvermeidlich ist, wenn man gezwungenermaßen zusammenlebt – gelernt, ihre Stimmungswechsel und ihr Schweigen vorherzusehen. Aber jetzt schien sie eine andere Frau zu sein. Oder vielmehr ein kleines

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