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Die letzte Nacht

Die letzte Nacht

Titel: Die letzte Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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wie sein Vater. Glaubst du, er wird alt?«
    Anna hatte ins Schwarze getroffen: Renata liebte es, über die Ehemänner der anderen zu sprechen. Sie ordnete ihr kupferfarbenes Haar und bedachte Anna mit einem verständnisvollen Blick.
    »Das ist normal, offenbar fehlt es ihm an Anregungen. Zum Glück hat mein Mann seine Leidenschaft für die Berge entdeckt, aber davor war es schwierig.«
    »Filippo hat sich nie beklagt«, versuchte es Anna.
    »Aber du hast doch gerade gesagt, dass er sich beklagt?«
    »Ja, schon, in der letzten Zeit eben …«
    Anna konnte nicht gut schwindeln. In Wahrheit liebte ihr Mann das ruhige Leben. Sie war es, die etwas verändern wollte. Deshalb hatte sie sich auf Salviatis Idee gestürzt. Allein die Worte »Überfall« und »Bank« öffneten ihr Welten, waren Verheißungen eines von Geheimnissen und Überraschungen erfüllten Daseins. Stattdessen hatten sie es sich bequem gemacht, seit sie vor fünf Jahren geheiratet hatten. Noch keine Kinder, zum Glück, aber weshalb? Wenn es nur darum ging, die gewohnten Reisen zu unternehmen und immer dieselben Leute zu sehen, konnte man ebenso gut ein Kind in die Welt setzen und die Jugend hinter sich lassen.
    »Für uns ist es anders«, sagte Renata, »schau mich an, meine Chefs haben weniger Unternehmensgeist als diese Gurke … diese Gurke, die wer weiß wie in mein Panino geraten ist, ja gibt’s denn so was, das sagt man, ohne Gurke bitte, und dann machen sie einem doch welche rein?«
    »Tja … «, Anna verlor allmählich den Faden.
    »Jedenfalls passen wir uns an.« Renata warf die Gurke fort. »Männer sind da anders. Entweder sie werden Chefs und verbringen ihr Leben damit, Unannehmlichkeiten aus dem Weg zu gehen, oder sie müssen sich ein Hobby suchen. Du solltest irgendetwas für Filippo finden, das würde ich ihm empfehlen …«
    Renatas Worte plätscherten vorbei wie der Fluss vor ihren Augen. Anna schaffte es, das Gespräch in Gang zu halten, indem sie hin und wieder ein Zeichen der Zustimmung gab. Derweil dachte sie über ihre Arbeit nach. Auch sie verspürte hin und wieder Langeweile. Vielleicht hatte die Vorstellung, eine Bank auszurauben, dieselbe Funktion wie ein Hobby. Etwas, um den Geist zu zerstreuen.
    War das der Grund, weshalb sie und Filippo eingewilligt hatten? Waren sie zwei Kinder, die spielen wollten?
    »Meinst du, ein Hobby genügt?«, fragte sie Renata.
    »Wenn es etwas ist, das dich in Form hält, wird es dir auch helfen, unbeschwerter zu leben.«
    In Wahrheit wusste Anna, wo das Problem lag. Sie war es, die den Überfall auf einen Zeitvertreib reduzieren wollte. Um die Angst nicht zu spüren, machte sie sich selbst vor, das Ganze sei ein Spiel.
    Später, in der Bibliothek, suchte sie nach einem Buch über Banküberfälle. Aber sie fand nur Romane, die keinerlei Wirklichkeitsbezug hatten. Geschichten über Gentleman-Banditen oder perverse Monster, die raubten, um ihrem Wahn Luft zu machen. Einige setzten auf Ironie. Sie schlug irgendeinen Krimi auf, einen Roman von Donald Westlake. »Wer es nie probiert hat, dem sage ich gleich, dass das Ausrauben einer Bank eine ziemlich langweilige Beschäftigung ist.« Anna stellte das Buch zurück ins Regal und gab es auf.
    Keiner sprach über einen echten Bankraub. Über einen Mann wie Salviati, der schon als Junge gestohlen und das Ganze zum Beruf gemacht hatte. Über zwei wie sie und Filippo, die Salviati gegenüberstanden. Ein Hilfegesuch. In ihrem Wohnzimmer. Hallo, Leute, könnt ihr euch an mich erinnern? Also, ich muss eine Bank überfallen, helft ihr mir dabei? Inmitten von Nippes und Hochzeitsfotos. Was hätten sie sagen sollen? Sie hatten Ja gesagt, aber sie hatten ihn nicht ernst genommen. Wenn sie jetzt darüber nachdachte, fühlte sie sich ziemlich elend. Was taten sie da bloß?
    Sie rief ihren Mann an.
    »Hallo, Filippo, entschuldige, dass ich dich störe, während du in der Schule bist, aber ich habe über den Überfall nachgedacht.«
    »Anna«, Filippo schnaubte, »ich hab dir schon gesagt, dass …«
    »Ich weiß, ich weiß. Aber du hast schließlich auch all die Nachrichten über Banküberfälle gesammelt!«
    »Das waren Geschichten, die ich gelesen habe, sonst nichts. Ich habe mich nicht hingestellt und gesagt: Oh, wie schön, lass uns das auch machen!«
    »Aber du hast dich bereiterklärt, Jean zu helfen.«
    »Anna, wir sollten darüber nicht am Telefon sprechen.«
    Sie durften darüber nicht am Telefon sprechen! Sie! Nicht am Telefon! Wie zwei Verbrecher. Anna hatte

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