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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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kann einen Verdächtigen anklagen, und wenn die Schöffen zustimmen, kann ein Richter das Verfahren gegen den Angeklagten eröffnen.«
    Bis dahin waren es noch zwei Tage.
    »Liegt der Abbildung auf dieser Tapisserie eine Geschichte zugrunde?«, fragte Geoffrey Scovill.
    »Ja, eine alte griechische Sage«, antwortete Schwester Eleanor. »Sie handelt von Daphne, einer Nymphe, die von ihrem Vater, einem Flussgott, in einen Baum verwandelt wurde.«
    »Und warum hat er sie verwandelt?«
    Schwester Eleanor lachte verächtlich. »Ich glaube kaum, dass dem eine wahre Begebenheit zugrunde liegt.«
    »Das verstehe ich, Schwester«, sagte er geduldig. »Aber die Figuren könnten ja eine tiefere Bedeutung haben.« Er wies auf das Bildnis der Daphne. »Ich finde, sie sieht ängstlich aus.« Dann musterte er die drei Jäger zur Linken des Mädchens. »Hat sie Angst vor diesen Männern?«
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte Schwester Eleanor kurz.
    »Es geht bei dieser Sage um mehr«, sagte ich. »Das habe ich vor ein paar Tagen gehört.«
    Geoffrey Scovill sah mich an. »Von wem?«
    Zu spät fiel mir ein, dass ich besser nichts gesagt hätte. »Von Bruder Edmund«, murmelte ich.
    Geoffrey Scovill nickte. »Ah ja, natürlich, Bruder Edmund.«
    Mir gefiel sein Ton nicht. »Warum sprecht Ihr nicht mit ihm selbst?«, fragte ich. »Ihr werdet schnell erkennen, was für ein Mensch er ist.«
    »Oh, wir werden mit Bruder Edmund sprechen, darauf könnt Ihr Euch verlassen. Er ist der Letzte auf unserer Liste.«
    Schwester Eleanor brummelte: »Hm, jetzt, wo Ihr’s sagt, kommt es mir wirklich so vor, als steckte mehr hinter dieser Tapisserie.« Blinzelnd musterte sie das Bildnis. »Diese Daphne sieht aus wie jemand, den ich schon einmal gesehen habe. Aber ich weiß nicht, wer es ist.«
    »Haben die Figuren auf Euren Tapisserien menschliche Vorbilder?«, fragte Geoffrey Scovill.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Schwester Agatha sagte auch, das Mädchen komme ihr bekannt vor«, bemerkte ich.
    Geoffrey Scovill sagte sofort lebhaft: »Schwester Eleanor, würdet Ihr bitte Schwester Agatha hierherholen?«
    Sie warf einen unsicheren Blick auf mich.
    Geoffrey Scovill wedelte mit der Hand. »Keine Sorge um Schwester Joanna. Ich werde ihr vielleicht noch einige Fragen über die Tapisserie stellen müssen, deshalb ist es besser, sie bleibt. Bitte sputet Euch. Wie Ihr schon sagtet, wir haben alle viel zu tun.«
    Als wir allein waren, räusperte ich mich und sagte: »Es freut mich, Euch wohlauf zu sehen.« Wie unbeholfen sich das anhörte.
    Geoffrey antwortete vorsichtig: »Und ich freue mich, auch Euch wohlauf zu sehen, Schwester Joanna.« Er hielt einen Moment inne. »Bei unserem letzten Zusammentreffen habt Ihr gar nicht wohl ausgesehen.«
    »Das ist wahr. Aber es ist alles kuriert.«
    »Wie habt Ihr das zuwege gebracht?«
    »Ich wurde von allem Verdacht befreit und nach Dartford entlassen«, antwortete ich.
    »Welch ein Glück.«
    Ich wusste nicht, was ich noch sagen sollte. Ich hatte diese Gelegenheit herbeigeführt, um mit Geoffrey zu reden, und nun war ich sprachlos.
    Er war es, der schließlich das Schweigen brach.
    »Sie wissen nicht, dass ich zwei Nächte im Tower festgehalten wurde«, sagte er leise. »Sir William Kingston hat mich überprüfen lassen, meinen Namen in dem Verzeichnis der Bezirkspolizei Rochester gefunden   – es liegt in London vor   –, und zusammen mit meiner beeidigten Aussage reichte das. Ich wurde nie amtlich verhaftet. Als ich wieder nach Hause kam, habe ich dem Chief Constable gesagt, ich sei in London in einem Gasthaus abgestiegen. Wochenlang fürchtete ich, dass jemand auftauchen oder ein Brief kommen würde, aber es ging alles gut.«
    »Ah ja.«
    »Ich wäre Euch zu Dank verpflichtet, wenn Ihr nichts von meiner Verwicklung in Eure Geschichte sagen würdet. Es könnte mich zugrunde richten.«
    »Aber Ihr selbst hättet beinahe verraten, dass ich es war, die damals Dartford ohne Erlaubnis verlassen hat«, entgegnete ich, immer noch ärgerlich.
    »Ich habe hier einen amtlichen Auftrag«, erklärte Geoffrey. »Ich bin Richter Campion verpflichtet. Ich schulde ihm sehr viel.«
    »Ach ja?«
    Geoffrey war sichtlich unbehaglich zumute, aber er erklärte es mir. »Er bezahlt den größten Teil meines monatlichen Lohns aus eigener Tasche. Das Amt eines Constable ist unbezahlt   – ich weiß nicht, ob Ihr das wisst. Der Chief Constable von Rochester ist ein wohlhabender Mann. Aber ich bin das nicht. Wäre nicht Richter

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