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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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wird den wahren Frieden finden.« Sie schloss die Augen, um ein stilles Gebet zu sprechen.
    Ihre Worte trösteten mich. Wir alle hatten Schwester Helen geliebt und waren um sie besorgt gewesen. Aber keiner konnte sagen, dass sie nach der Hinrichtung ihres Bruders Frieden gefunden hatte.
    Neben mir zischte plötzlich Schwester Rachel empört: »Was tut
Ihr
denn hier?«
    Ich drehte mich erschrocken um und sah Geoffrey Scovill an der Tür zum Hospital stehen. Hinter ihm trat Gregory, der Pförtner, mit unglücklicher Miene von einem Fuß auf den anderen.
    Auch die anderen Schwestern taten vernehmlich ihren Unmut kund, als sie ihn bemerkten. Die Priorin öffnete die Augen. »Mister Scovill, Ihr dürft den abgeschlossenen Teil des Klosters nicht ohne meine ausdrückliche Erlaubnis betreten«, sagte sie. »Und in einem solchen Moment hier zu erscheinen   – das ziemt sich nicht.«
    Unfähig, sich zu beherrschen, wies Schwester Rachel mit dem Finger auf Geoffrey. »Ihr seid schuld an Schwester Helens Tod   – Ihr habt sie zu Tode geängstigt.«
    Einige andere Schwestern stimmten in die Beschuldigung ein. »Er ist schuld!«
    »Nein«, protestierte ich. »Das ist nicht wahr.«
    Geoffrey warf mir einen kurzen Blick zu, dann trat er ein. Er hielt etwas in der Hand. »Es tut mir leid, Euch stören zu müssen, und ich bedaure das Hinscheiden von Schwester Helen aufs Tiefste«, sagte er mit düsterem Ernst, »aber mich führt eine dringende Rechtsangelegenheit hierher, Ehrwürdige Priorin.«
    Er hielt ein Dokument in die Höhe. »Ich bin hier, um Bruder Edmund Sommerville abzuholen. Er wird zur gerichtlichen Untersuchung in Dartford erwartet. Zwölf Männer wurden geladen, um die Beweise im Fall der Ermordung von Lord Chester zu beurteilen. Eine Anklage gegen Bruder Edmund ist bereits vorbereitet, und die Schöffen werden darüber entscheiden, ob sie begründet ist.«
    »Nein! Nein!« Entsetzt scharten sich die Schwestern um Bruder Edmund.
    Aber Bruder Edmund bahnte sich behutsam einen Weg durch das Gedränge und trat Geoffrey Scovill erhobenen Haupts entgegen.
    »Ich bin dieses Verbrechens nicht schuldig, aber ich bin bereit, dem Gesetz zu gehorchen«, sagte er.
    Geoffrey griff in seine Tasche, und dann sah ich ihn zu meinem Schrecken Bruder Edmund die Hände binden.
    »Was geht hier vor?«, rief Schwester Winifred in höchster Aufregung. »Was hat der Mann gesagt? Edmund? Wohin bringt Ihr ihn?«
    Bruder Edmund sah seine Schwester traurig an, dann wandte er sich uns allen zu und sagte nur: »Lebt wohl.«
    Schwester Agatha versuchte, Schwester Winifred zu beruhigen. Ich war unfähig, etwas zu tun oder zu sagen. Es war, als weigerte sich mein Verstand anzuerkennen, was soeben geschehen war.
    Nach einigen Minuten kehrte Gregory, der Pförtner, zurück. Auch er hielt ein Dokument in der Hand. Es trug ein großes rotes Siegel.
    »Das ist soeben aus London eingetroffen«, meldete er und reichte der Priorin das Schriftstück.
    Mit gerunzelter Stirn erbrach sie das Siegel. Ich konnte erkennen, dass das Schreiben kurz war. Sie las es in unserem Beisein. Alle waren ganz still, nur Schwester Winifred weinte leise in Schwester Agathas Armen.
    Das Gesicht der Priorin verlor alle Farbe.
    »Was steht darin?«, fragte Schwester Rachel.
    Die Priorin richtete ihren Blick auf uns alle. »Das Schreiben ist von Thomas Cromwell, dem Lordsiegelbewahrer und Generalvikar«, sagte sie. »Durch die Ermordung Lord Chesters sei Kloster Dartford zu einer Schande für das ganze Reich geworden, schreibt er, und müsse einer neuen Untersuchung unterzogen werden. Die Hauptkommissare des Königs, Layton und Legh, ändern deshalb ihren Inspektionsreiseplan und kommen nicht erst im Frühjahr hierher, sondern jetzt. Sie müssten in drei Wochen in Dartford eintreffen.«

DRITTER TEIL

Kapitel 32
    Dieser Blutegel war anders als die vorherigen. Das dunkelbraune Tier, das der Bader für Schwester Winifreds Gesicht wählte, war dünner und lebhafter als die anderen drei, die er bereits an ihren Unterarmen angesetzt hatte. Es bewegte sich heftig schlängelnd in der Luft, als der Bader es aus dem Wasserglas nahm, und beruhigte sich erst, als es sich an ihrer linken Wange neben dem Ohr festgesaugt hatte.
    Er biss zu. Ich sah es Schwester Winifred jedes Mal an, wenn der Egel zubiss, weil sie dann mit aufgerissenen Augen zusammenzuckte. Ich hatte selbst als Kind dreimal Blutegel angelegt bekommen, und ich konnte mich an dieses Zwicken erinnern, dem ein Taubheitsgefühl

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