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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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der unseren war   – zu Unrecht   – eingekerkert worden. Unserer klösterlichen Gemeinschaft drohte die Auflösung. Wozu sollten da Straflektionen gut sein?
    Aber es hatte keinen Sinn zu hadern. Was die Priorin gebot, würde geschehen.
    Ich warf einen Blick in den Kessel über dem Feuer; die Brühe brodelte noch nicht. Ruhelos schritt ich auf und ab, bis mein Blick plötzlich auf ein rührendes Bild fiel: Auf einem Bord saß, sorgsam an einen Kasten mit Kräutern gelehnt, die Lumpenpuppe der kleinen Martha Westerly.
    »Warum hat sie die hiergelassen?«, fragte ich mich laut. Die Köchin hielt im Gemüseschnipseln inne. Wir sahen einander an, beide bekümmert bei dem Gedanken an die Westerly-Kinder.
    »Oder hat sie dir die Puppe geschenkt?«, fragte ich neugierig.
    »John hat sie gefunden und sie mir gebracht.« Die Köchin arbeitete schon weiter.
    »John, der Stallknecht?«
    Sie nickte.
    Ich trat zu ihr und klopfte ihr leicht auf die Hand, um ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zu gewinnen. »Wann hat John die Puppe gefunden?«
    Sie überlegte einen Moment. »Er hat sie mir an dem Tag gebracht, als die Männer aus Rochester kamen.« Sie senkte die Stimme. »Er musste an dem Morgen vor dem Zimmer, wo der Leichnam von Lord Chester lag, Wache halten.«
    Ich war bestürzt. Die Westerly-Kinder hatten mit dem Mord an Lord Chester nichts zu tun. Eine Verbindung herzustellen, wenn auch nur durch den Fund der Puppe, war mir unerträglich. Ich hatte gehört, dass am Tag nach Bruder Edmunds Festnahme der Vater der kleinen Westerlys im Kloster erschienen war, um den Leichnam seiner Frau zu fordern, und mit Zorn geantwortet hatte, als er hörte, dass sie bereits auf dem Klosterfriedhof begraben worden war. In der Nacht ihres Todes war ein Bote zu seinem Haus gesandt worden, der aber niemanden angetroffen hatte. Daraufhin hatten die Schwestern das Notwendige unternommen. Für einen Dienstboten war es eine Ehre, hier begraben zu werden, aber Westerly war anderer Meinung. Er zog fluchend von dannen und erklärte auf Fragen nach dem Befinden seiner Kinder nur, das gehe niemanden außer ihm etwas an.
    Als die Brühe endlich kochte, füllte mir die Köchin etwas davon in eine Schale, die ich auf einem Untersatz ins Hospital trug.
    Ich musste ständig an die Puppe denken, ich wusste selbst nicht, warum. Aber als ich mich neben der teilnahmslosen Schwester Winifred niedersetzte und ihr die Brühe einzuflößen begann, sah ich plötzlich klar.
    »Was ist, wenn sie etwas beobachtet haben?«, fragte ich laut.
    Schwester Rachel, die gerade irgendeine Heiltinktur in einen Messbecher goss, fuhr zusammen. Dunkelrote Flüssigkeit ergoss sich über den Tisch.
    »Da, seht, was Ihr getan habt, Schwester Joanna«, schimpfte sie. »Was redet Ihr da? Wer hat was beobachtet?«
    »Könnt Ihr Schwester Winifred füttern?« Ich war schon auf dem Weg zur Tür. »Es tut mir leid, aber es ist wichtig.«
    Ohne auf eine Antwort zu warten, rannte ich zur Küche zurück und überredete die Köchin, mir die Puppe auszuleihen.
    Es war ein trüber Novembertag, und ich lief ohne Mantel zu den Ställen hinaus. Aber das machte mir nichts aus. Zum ersten Mal seit Wochen hatte ich wieder ein Ziel vor Augen. Nach Bruder Edmunds Festnahme war ich ständig matt und niedergeschlagen gewesen und, vor allem, tief besorgt über Schwester Winifreds Verfall. Ich hatte nicht einen einzigen neuen Hinweis auf die Athelstan-Krone gefunden, und seit jener Schreckensnacht, als ich mich vom Atem des Klosters umweht gefühlt hatte, hatte ich nie wieder ihre geheimnisvollen Kräfte gespürt. Die meiste Zeit war ich verzweifelt. Niemals, glaubte ich, würde ich die Krone aufspüren, niemals eine Antwort auf die Frage finden, wer Lord Chester ermordet hatte. Und niemals würde mein Vater aus dem Tower befreit werden.
    Aber jetzt beflügelte mich allein die Möglichkeit, etwas zu entdecken, was dem Kloster helfen konnte, in einem Maß, dass ich den feuchten kalten Boden kaum unter meinen Füßen spürte.
    John mistete gerade den Stall aus, als ich kam. Meine Fragen beunruhigten ihn sichtlich.
    »Warum wollt Ihr wissen, wo ich sie gefunden habe?«, fragte er misstrauisch. »Was ist so Wichtiges an der Puppe?«
    »Bitte, denk nach«, bat ich ihn.
    »Ich weiß nicht mehr, es ist schon eine Weile her«, sagte er, meinen Blick meidend.
    »John, ich weiß, dass es bedeutungslos erscheint, aber das ist es nicht. Die Puppe ist wichtig.«
    »Für wen?«, fragte er.
    »Für uns alle hier in Dartford,

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