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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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ihrer Arbeit keine Zeit vergeudeten.
    In der Terz sprach ich meine Gebete mit so viel grimmiger Inbrunst, dass einige Schwestern sich nach mir umdrehten. Aber Christus in unseren täglichen Gebeten zu ehren, gab mir das Gefühl, zur Stärkung unseres Klosters beizutragen; es war der einzige feste Halt, den ich im Leben hatte. Ich wusste nicht, wie ich überleben sollte, wenn Dartford zerstört wurde.
    Nach der Terz eilte ich zum Hospital, für den Fall, dass Bruder Edmund meine Hilfe brauchte. Aber ich kam nur bis zum Innenhof des Kreuzgangs, als ich Gregory, den Pförtner, rufen hörte. Die Sonne schien; es war einer jener Spätherbsttage, die in wehmütiger Verheißung leuchten. Das Laub war von den Quittenbäumen gefallen, aber die Äste und Zweige gleißten im Licht. Es war, als sendeten die Bäume eine Forderung aus: Erwärme uns zu neuer Pracht und lasse uns den Winter und den Tod, den er mit sich bringt, abwenden.
    »Schwester Joanna«, rief Gregory von der anderen Seite des Gartens. »Kommt bitte gleich mit mir!« Als ich ihn erreichte, fügte er hinzu: »Ihr werdet im Lokutorium erwartet.«
    Ich trat kopfschüttelnd zurück. »Du irrst dich. Ich habe keinen Besuch.«
    »Die Kommissare des Königs wollen Euch sprechen«, sagte er ungeduldig. »Sie haben spezielle Fragen an Euch.«
    Irgendwie hatte ich es schon in den flüchtigen, ermattenden Träumen, in der Verzweiflung der Nacht geahnt. Ich mochte mich nochso sehr bemühen, nicht in diese Untersuchung hineingezogen zu werden, ich würde den Klauen der Inquisitoren nicht entkommen können.
    Ich folgte Gregory zum Vorderhaus. Er schloss die Tür auf und ging vor mir hindurch, doch gleich darauf stieß er einen zornigen Fluch aus.
    Die hässlichen Worte, so fremd in diesen heiligen Mauern, hingen zitternd in der Luft. Gregory rannte den Gang hinunter zu den Gemächern der Priorin. »Was tut ihr da?«, schrie er zwei Männer an, die staub- und schmutzbedeckt aus dem Zimmer kamen. Von drinnen vernahm ich lautes Hämmern und Stimmengewirr. Es mussten mindestens fünf Leute in den Räumen der Priorin sein.
    Die Kommissare des Königs warteten nicht auf die amtliche Auflösung des Klosters. Sie waren schon dabei, das Amtszimmer der Priorin zu verwüsten.
    »Tretet zurück«, befahl einer der Männer Gregory. »Wir haben unsere Befehle.«
    »Ihr könnt das Kloster nicht einfach so zerstören, ohne ordentliches Verfahren!«, schrie ich.
    »Wir sind nur in dem einen Raum«, sagte der Mann. »Fürs Erste.«
    Von weiter hinten im Gang rief ein anderer, der Stimme nach jüngerer Mann: »Los, bring sie schon her, du Narr!« Bestürzt begriff ich, dass er unseren Pförtner meinte.
    Mit zornesrotem Gesicht führte Gregory mich durch den langen Gang zum Lokutorium auf halbem Weg zum Gästequartier. Der junge Mann, der ein Wieselgesicht hatte, packte mich grob am Arm und stieß mich ins Zimmer.
    Ich war schon mehrmals im Lokutorium gewesen. Gleich in der ersten Woche nach meiner Rückkehr hatte ich hier jeden Winkel nach einer Spur der versteckten Krone durchsucht und danach noch zweimal. Ich hatte nie etwas gefunden. Es war ein langer, einfach ausgestatteter Raum: ein Tisch mit einer Gruppe Stühle auf der einen Seite und eine lange Holzbank auf der anderen. Der Raum war für die Besucher   – Familie und Freunde   – der Schwestern bestimmt. Die Nonnen saßen immer auf der Bank, zum Zeichen ihres Verzichts auf alle Bequemlichkeit, und die Gäste saßen auf den Stühlen. An diesemMorgen saßen zwei Ordensbrüder auf der Bank: Bruder Richard, mit steinerner Miene, und Bruder Edmund, der noch abgekämpfter aussah als am Vortag.
    Auf einen Wink von Bruder Richard nahm ich zwischen ihnen Platz. Ich fühlte mich schwer und zu träge, einen Gedanken zu fassen, dabei würde ich gerade jetzt Geistesschärfe brauchen, dachte ich, während ich die zwei Männer am Tisch beim Fenster beobachtete. Sie waren etwa gleich alt   – beide um die Vierzig   – und trugen lange kostbare Pelze und Amtsketten mit Medaillen. Ihre Aufmerksamkeit galt den zwei Trinkbechern, die auf dem Tisch standen. Der Größere der beiden hielt einen Becher ans Licht und drehte ihn langsam und bewundernd.
    Der andere, korpulent und mit schütterem Haar, blickte zu den Brüdern und mir und sagte: »Lasst uns anfangen.«
    Mit einem Nicken stellte der andere den Becher hin. »Tun wir das.«
    Der Große trat mit einem Lächeln auf uns zu. »Ich bin Thomas Legh, Advokat in den Diensten Seiner Majestät. Das ist

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