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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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Richard Layton, Geistlicher und Sekretär des Kronrats. Ihr wisst, warum wir hier sind?«
    »Um uns zu untersuchen«, sagte Bruder Richard.
    »Ja, sehr gut, Bruder. Sehr präzise.«
    Layton setzte sich auf den Stuhl gegenüber und musterte uns.
    Bruder Edmund neben mir war unruhig. Ein leicht saurer Geruch ging von ihm aus, Schweißgeruch. Der Arme. Warum wollte er nicht zugeben, dass er krank war?
    Legh sagte: »Ich halte es für das Beste, Euch zunächst etwas über uns und die Vorgänge zu sagen, die uns hierhergeführt haben. In den letzten Tagen des Jahres 1534 verkündete Thomas Cromwell, er werde eine Kommission zur Untersuchung der Klöster bilden   – lediglich zu ihrer Erneuerung und Reinigung, wohlverstanden   –, und wir meldeten uns. Wir würden Inspektionen und Befragungen durchführen und berichten, ob alle Regeln eingehalten wurden, ob Gelübde gebrochen worden waren, ob finanzielle oder moralische Nachlässigkeit herrschte.«
    Während Legh sich über die große Ehre ausließ, auserkoren wordenzu sein, diejenigen, die ein Leben in Gott gewählt hatten, zu verfolgen, kämpfte ich gegen meine Müdigkeit. Ich betrachtete die Wand zu meiner Rechten. Ein großes Bücherregal war dort eingelassen, aber es stand nicht ein einziges Buch darin. Ich glaubte, mich zu erinnern, dort Bücher gesehen zu haben, aber jetzt war es leer. Mein Blick glitt nach oben, und über der Büchernische erblickte ich die gefürchteten Symbole unseres Klosters: die Lilien und die Krone. Sie waren wahrhaftig überall. Hier stand die Krone im Vordergrund, ungeschützt von den Blumen des Dominikanerordens.
    »Wir erwirkten eine Sondergenehmigung, um die Klöster im Norden zu inspizieren, wo uns Land und Leute vertraut waren«, sagte Legh. »Im ganzen Land wurden die Klöster oben im Norden am tiefsten verehrt. Wir besuchten hunderteinundzwanzig von ihnen in weniger als vier Monaten.« Er machte eine Pause, um das wirken zu lassen. »Und in diesen Häusern stießen wir auf Verderbtheit, Verschwendung, Müßiggang und Nachlässigkeit von unglaublichem Ausmaß.«
    Bruder Edmund blickte zu Boden. Ich bemerkte, wie er den Daumen seiner Rechten in seine gekrümmte linke Handfläche bohrte.
    Auch ich konnte diesen Männern kaum ins Gesicht sehen. Sie waren Zerstörer. Im ganzen Land kursierten die Gerüchte über ihre Habgier und über die Rücksichtslosigkeit, mit der sie die Klöster, die sie mit Gewalt unterworfen hatten, ausplünderten. Aber der Fanatismus, der in ihren Augen glühte, war echt. Sie glaubten tatsächlich, Gottes Willen auszuführen. Am liebsten wäre ich von der Bank aufgesprungen, hätte sie beide an der Hand genommen und in unserem Kloster herumgeführt, um sie mit den Schwestern bekanntzumachen und mit ihnen sprechen zu lassen. Ich wollte Legh und Layton zeigen, wo wir beteten und sangen, wo wir schliefen, ich wollte ihnen von den Opfern der Schwestern erzählen und dem unermüdlichen Streben nach der Vereinigung mit einer höheren Macht. Wie sehr wir alle uns bemühten, die Regeln unseres Ordens zu befolgen. Würden sie uns am Ende einer solchen Inspektion immer noch hassen und verachten können?
    Inzwischen hatte Layton die Führung des Gesprächs übernommen. »Wie sollen wir Euch anreden? Bruder oder Pater?«
    Bruder Richard antwortete: »Bruder ist die korrekte Anrede. Sie drückt den Respekt für jeden Mann aus, der die Gelübde abgelegt hat.«
    Layton verzog bei dem Wort ›Respekt‹ verächtlich den Mund. »Gut, Bruder. Wir hatten noch nicht die Ehre, Kloster Dartford oder Eure dominikanische Gemeinschaft in Cambridge zu inspizieren, aber ich habe als junger Mann die dortige Universität besucht und halte mich über die herrschenden Zustände auf dem Laufenden.« Er beugte sich vor. »Euer Prior hat Unzucht und Diebstahl gestanden, und dies in solch abscheulichem Umfang, dass die ganze Gemeinschaft unverzüglich aufgelöst wurde.«
    Bruder Richard erwiderte mit Bedacht: »Weder Bruder Edmund noch ich wurden eines Verstoßes gegen die Ordensregeln für schuldig befunden. Insofern ist das Verfahren dort nicht von Belang für die Vorgänge hier.«
    »Ihr sprecht wie ein echter Jurist«, knurrte Legh. »Ihr habt Eure Berufung verfehlt, Bruder Richard. Dann wollen wir jetzt also unsere Aufmerksamkeit auf Kloster Dartford richten, wo es in der Tat sehr merkwürdige Vorgänge gegeben hat.«
    »Sehr merkwürdig«, stimmte Layton ein.
    Bruder Richard sagte: »Was den Tod von Lord Chester betrifft, so nehme ich

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