Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne
höhnischen Lächeln. »Niemand konnte verstehen, warum sie ausgerechnet den alten John Bulmer zum Ehemann nahm. Nun ja, das Herz einer Frau ist das größte aller Geheimnisse, wie, Richard?«
Layton schüttelte sich vor Abscheu. »Mir liegt nicht das Geringste daran, das Herz einer Frau zu verstehen.«
Legh richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf mich. »Aber Frauen verstehen einander, nicht wahr? Zumal Frauen, die miteinander blutsverwandt sind. Ihr habt Euch Eurer Cousine stark verbunden gefühlt, nicht wahr, Schwester Joanna?«
»Wir standen uns als Kinder nahe, ja«, antwortete ich.
»Oh, ich habe den Eindruck, diese Nähe blieb auch nach der Kindheit bestehen. Immerhin habt Ihr die Klausurregeln gebrochen, um zu ihrer Verbrennung nach Smithfield bei London zu reisen. Ich hörte, dass Ihr ein Thomas-Becket-Medaillon bei Euch hattet, das Ihr Eurer Cousine mit ins Grab geben wolltet. Was durchaus bewegend wäre, wenn wir hier nicht von einer der Anführerinnen des Aufstands gegen Seine Majestät sprächen. Sie war eine Verräterin der schlimmsten Sorte.«
Es gelang mir, ruhig zu bleiben – die Bemühungen, mich zu reizen, waren zu offenkundig. Auf so plumpe Weise würde ich mich nicht zu Unbedachtheiten verleiten lassen.
»Ihr wurdet, wie Euer Vater, des Eingreifens in den Vollzug der Gerechtigkeit beschuldigt und in den Tower verbracht, wo Euch der Herzog von Norfolk persönlich befragte und weitere Vernehmung empfahl. Von da an wird alles ziemlich …« Er hielt inne, wie um nach dem passenden Wort zu suchen.
»Undurchsichtig?«, schlug Layton vor.
»Ja. Das ist genau das richtige Wort.
Undurchsichtig.
Ihr wurdet vier Monate festgehalten, dann von Bischof Gardiner befragt und sehr schnell auf freien Fuß gesetzt.« Er schlug sich auf den Schenkel. »Wenn das keine Seltenheit ist! Und als wäre das nicht genug, wurdet Ihr auch noch mit diesen beiden Ordensbrüdern ins Kloster Dartford zurückgesandt, als wäre nichts geschehen. Die Anordnung wurde von Gardiner und Norfolk gemeinsam unterzeichnet. Ich habe sie mit eigenen Augen im Amtszimmer Sir William Kingstons gesehen.«
Die Erwähnung Kingstons rief bei mir ein Schaudern hervor, das ich doch nicht ganz unterdrücken konnte.
»O ja, Schwester Joanna, wir haben dem Tower auf dem Weg nach Dartford einen Besuch abgestattet.« Legh, der meinen Widerwillen bemerkte, lächelte. »Deshalb nehmen wir unter den Kommissaren des Königs diese herausragende Stellung ein. Wir achten auf jedes Detail. Und nun, Schwester Joanna, werdet Ihr uns verraten, warum Bischof Gardiner Eure Freilassung und die Rückkehr in Euer Kloster veranlasst hat.«
»Weil er mich keines Vergehens für schuldig und der Wiedergutmachung für würdig befand«, sagte ich.
»Eine Anhängerin der Aufrührerischen gegen den König?«, brüllte Layton. »Die Angehörige einer Familie, welcher der Ruch des Hochverrats anhängt? Eine Novizin, die gegen die Ordensregeln verstoßen hat? Und da wagt Ihr zu behaupten, Ihr wärt der Wiedergutmachung würdig? Nichtswürdig seid Ihr, Schwester Joanna.«
»Das reicht«, rief Bruder Richard. »Ihr werdet diese Beschimpfungen sofort unterlassen.«
»Ihr habt hier keinerlei Befugnis, Bruder«, fuhr Layton ihn an.
»Und Ihr überschreitet Eure Befugnis«, entgegnete Bruder Richard. »Dies ist kein Gerichtsverfahren wegen Verrats gegen Joanna Stafford und keine Verhandlung vor einem Prälaten der Dominikaner. Wenn dieses Vorgehen gemeldet würde, würde das kein gutes Licht auf Euch werfen.«
Es überraschte mich, dass Bruder Richard bereit war, zu meiner Verteidigung so weit zu gehen.
Layton zupfte Legh am pelzverbrämten Ärmel. »Nun, uns bleibt ja noch der andere Kurs.« Er nahm wieder mich aufs Korn. »Es ist unser Auftrag, die Keuschheit und Moral aller jener zu prüfen, die dem Kloster Dartford angehören, sowohl Nonnen als auch Novizinnen.«
In dieser Hinsicht hatte ich nichts zu fürchten. Erleichtert sagte ich: »Ja, Sir?«
Er blätterte in seinen Papieren, bis er etwas entdeckte, das seine Erinnerung auffrischte. »Deshalb, Schwester Joanna, werde ich Euch jetzt über einen gewissen Geoffrey Scovill befragen.«
Es kam so unerwartet, dass ich die äußere Ruhe nicht bewahren konnte und zusammenzuckte.
Laytons Augen blitzten. »Ihr werdet uns nun über den jungen Mann berichten, der mit Euch zusammen in Smithfield festgenommen wurde. Meines Wissens wurde er beinahe unverzüglich wieder auf freien Fuß gesetzt, weil ihm keine
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