Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne
nicht tanzen.«
Das erstaunte mich. Ich hatte geglaubt, Tanzstunden gehörten zu jedem Kinderleben.
»Ich wurde schon mit acht Jahren für das Kloster bestimmt«, fügte er entschuldigend hinzu.
Der Graf von Surrey klatschte in die Hände und ließ seinen Blick durch den Saal schweifen. »Ausgezeichnet, bildet die Reihen.« Mir wurde unbehaglich, als seine Aufmerksamkeit an uns hängen blieb.
»Freunde, ich habe hier die besten Musiker im Land, nach dem König wohlgemerkt«, rief er uns lächelnd zu. »Warum wollt Ihr nicht tanzen?«
Ich zog Bruder Edmunds Hand in die Höhe, froh um meine Maske. »Wir nehmen mit Vergnügen unsere Plätze ein, Milord«, sagte ich laut und führte Bruder Edmund ganz nach vorn, zum Beginn der Tanzreihe gleich bei der Bühne. »Tut einfach das Gleiche wie ich«, flüsterte ich, kurz bevor wir uns trennen mussten, um Aufstellung zu nehmen.
»Das nenne ich den rechten Geist«, sagte der Graf mit einer Verneigung. »Und nun, bevor der Tanz beginnt, erlaubt mir, die Ehrengäste zu präsentieren. Denn es hat einen guten Grund, dass wir heute die Tracht der Klöster anlegen. Einer ihrer streitbarsten Anwälte ist an unsere Gestade zurückgekehrt.«
Neben der Bühne öffnete sich eine Tür, und zwei ältere Männer erschienen.
Der eine war Thomas Howard, der dritte Herzog von Norfolk, der andere Stephen Gardiner, Bischof von Winchester.
Kapitel 44
Bruder Edmund und ich standen wie erstarrt, nur wenige Fuß von der Bühne entfernt. Ich hörte das Knarren der drei hölzernen Stufen, als zuerst Norfolk und dann Gardiner zur Bühne hinaufstieg. Was tat der Bischof von Winchester in England? Hatte er schon erfahren, dass Bruder Edmund und ich uns nicht mehr in Dartford aufhielten?
»Thomas, das ist schmeichelhaft, gewiss, aber nicht angemessen«, hörte ich Gardiner in mildem Ton sagen.
»Ach, kommt, Exzellenz, nehmt es, wie es gemeint ist«, rief der Graf von Surrey. »Ihr habt meinem Vater sehr gefehlt. Uns allen – und wir hoffen, Ihr werdet bleiben und nicht allzu bald nach Frankreich zurückkehren.«
Er wandte sich den Musikern zu. »Spielt für meinen Vater, den Herzog, und für den mächtigen Bischof von Winchester«, befahl er.
Die Allemande ist ein einfacher Tanz. Wenn der Graf eine Gaillarde befohlen hätte, wären wir verloren gewesen. Aber die Allemande ist ein Schreittanz, bei dem sich die Paare, die sich an den Händen halten, langsam vorwärts bewegen. Nach drei Schritten folgt jedes Mal ein kleiner Sprung mit anschließender Verbeugung. Dann geht es weiter voran.
Da Bruder Edmund keine Ahnung hatte, was erwartet wurde, hielt er nach den ersten drei Schritten nicht an und stieß gegen einen anderen Tänzer, der sich mit einem ärgerlichen Ruf nach ihm umdrehte. Ich warf einen Blick zur Bühne; die drei Männer unterhielten sich angeregt und bemerkten Bruder Edmunds Fehler nicht.
Aber beim nächsten Mal hielt Bruder Edmund wie vorgesehennach drei Schritten an, und beim übernächsten Mal machte er sogar einen Sprung und verbeugte sich. Er fand schnell in den Tanz hinein, was sicher auch seiner Liebe zur Musik zu danken war.
Ich wandte meine Aufmerksamkeit den Tapisserien an der Wand hinter Bruder Edmunds Kopf zu. Er konnte sie nicht sehen, ohne sich umzudrehen, und das war ihm, bei der Anforderung des Tanzes an seine Konzentration, nicht möglich.
Ja, eine der Tapisserien kam aus Dartford und war eindeutig die Arbeit unserer Schwestern. Und es war die längste, die ich je gesehen hatte; sie fertigzustellen, musste mindestens zwei Jahre gedauert haben. In der Tat zeigte sie weibliche Figuren beim Tanz, aber ich konnte aus der Szene nicht klug werden. Sie schien mir keine Geschichte zu erzählen und schien auch keiner Sage der alten griechischen Mythologie entnommen. Sieben junge Frauen, die in einer Reihe herumsprangen. Es mochte etwas Fieberhaftes in ihren Bewegungen liegen, beinahe Zorn in der Art, wie sie die Arme zum Himmel schwenkten.
Als Bruder Edmund und ich das Ende des Saals erreichten, zog ich ihn vorwärts und riss ihn halb herum, sodass er die Tapisserie sehen konnte. »Sagt mir, was Ihr seht!«, rief ich, um die Musik zu übertönen. »Mir sagt es gar nichts.«
Wir begannen unseren Tanz zurück zur Bühne. Bruder Edmund hatte schnell gelernt. Er absolvierte die Schrittfolgen, ohne den Blick von der Tapisserie zu wenden. Ich hoffte inständig, er werde das Bild entschlüsseln.
Etwa auf halbem Weg durch den Saal passierte es: Bruder Edmund, dessen
Weitere Kostenlose Bücher