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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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der Klausur. DieKommissare hatten im Amtszimmer der Priorin bereits das Unterste zuoberst kehren lassen, ohne dass sie etwas gefunden hätten. Aber die restlichen Räume und die Gänge waren noch nicht durchsucht worden.
    Ich fragte mich, ob die zweite Howard-Tapisserie, die aus Dartford stammte   – die mit den tanzenden Schwestern, die in Norfolk House in Lambeth hing   –, mir weiterhelfen würde. Lambeth lag am Südufer der Themse, der Stadt gegenüber. Es war gar nicht weit von Dartford. Und der Herzog von Norfolk, als Earl Marshal des Reiches, besaß so viele Häuser überall im Land, dass er sich nur selten in London aufhielt. Er lebte bevorzugt in Ost-Anglien, dort lag der Mittelpunkt seiner Macht. Es war kaum damit zu rechnen, dass er sich derzeit in Norfolk House aufhielt.
    Doch es gab eine Schwierigkeit. Ich wollte Bruder Edmund nicht dabeihaben.
    Am letzten Morgen, als wir vor dem Gasthaus die Pferde tränkten, sagte ich: »Wir müssten doch gegen Mittag in London sein, nicht wahr, Bruder?«
    »Ja, und kurz vor Einbruch der Nacht in Dartford.« Er prüfte den Sitz seines Sattels.
    So beiläufig wie möglich sagte ich: »Ich könnte einen kurzen Abstecher nach Lambeth machen. Vielleicht könnte John mich begleiten, während Ihr nach Dartford vorausreitet.«
    »Ihr wollt Euch die Tapisserie ansehen?«
    »Ja. Und danach könnte ich Euch berichten.« Auch ich begann meinen Sattel zu prüfen, froh, ihm nicht ins Gesicht sehen zu müssen. Ich wartete auf eine Antwort, aber er schwieg.
    Erst als ich im Sattel saß, blickte ich zu ihm hinüber. Er stand immer noch neben seinem Pferd und sah so bekümmert aus, dass mich sofort die Reue packte.
    »Schwester Joanna, ich würde Euch gern begleiten   – um Euch behilflich sein zu können«, sagte er still.
    Ich hantierte mit meinen Zügeln. »Wie Ihr wünscht.«
    Etwa eine Stunde nach unserem Aufbruch öffnete der Himmel seine Schleusen, und eisiger Regen zwang uns, ein schützendes Obdach zu suchen. Während ich zitternd vor Kälte neben Bruder Edmundstand, war ich versucht, offen mit ihm zu sprechen, wie ich das immer getan hatte. Es ging mir nicht allein um unsere voneinander abweichenden Absichten bezüglich der Krone. Ich musste immer wieder an das denken, was er mir vor unserem Eintritt in die Abtei in Malmesbury gesagt hatte. Auch ich hatte einiges auf dem Herzen und hätte gesprochen, wenn nicht John bei uns gestanden hätte. Er ließ uns keinen Augenblick allein, und als es zu regnen aufhörte, setzten wir unsere Reise fort.
    Wir nahmen diesmal einen anderen Weg, geradewegs durch das Herz der Stadt, da wir nach Lambeth wollten. Laut und geschäftig umgab uns das Londoner Leben, als wir die Cheapside hinunterritten, beinahe überwältigend nach der ländlichen Stille. Ich musste an einen trüben Maitag denken und an ein Fuhrwerk voll leerer Bierfässer, das auf der Straße dahinrumpelte, an einen duftenden Gewürzmarkt und an ein fliehendes junges Gassenmädchen. Die Erinnerung an die Reise nach Smithfield   – das Grauen von Margarets Verbrennung   – begleitete mich jeden Tag, aber hier, auf der Cheapside, brannte sie so schmerzhaft wie nie.
    Als wir auf dem Weg nach Lambeth die Themse überquerten, blieb das Lärmen der Stadt hinter uns zurück. Am Fluss gab es ein paar Bootswerften, sonst schien das sumpfige Marschland, das zu brachliegenden Feldern und in der Ferne zu bewaldeten Hügeln anstieg, fast unbewohnt. Doch in den Wäldern versteckt standen einige prachtvolle Landhäuser. John erkundigte sich nach dem Weg.
    »Wir müssen zur Paradise Street«, erklärte er, als er wieder zu uns stieß.
    Wir brauchten nicht lange zu suchen, wir mussten uns nur der Menschenschlange anschließen. Eine ganze Prozession   – lauter junge, vornehm gekleidete Leute   – bewegte sich zu einem der Herrschaftssitze an der Straße. Zu Pferd, in eleganten Wagen, sogar in Sänften kamen sie, lachend und einander laut begrüßend, die Paradise Street herauf. Immer wieder hörten wir den Namen ›Howard‹. Als wir die lange, gepflegte Auffahrt hinaufritten, erhob sich das Haus vor uns, groß und prunkvoll, inmitten von Bäumen, deren Äste jetzt kahl waren.
    »Das könnte uns nützlich sein«, meinte ich zu Bruder Edmund.»Wenn die Howards hier ein großes Fest geben, können wir vielleicht unbemerkt ins Haus und wieder heraus kommen.«
    »Aber heißt das nicht, dass der Herzog selbst hier ist?«, gab er zu bedenken.
    »Er hat für große Gesellschaften nichts

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