Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne
während ich überlegte, wie viel ich ihr enthüllen sollte.
In einem dämmrigen, stillen Empfangszimmer mit Blick auf die Rasenflächen des Parks berichtete ich Lady Maria von den letzten Lebenswochen ihrer Mutter auf Kimbolton Castle. Wir standen nahe beieinander am Fenster und beobachteten den Strom der Gäste, der sich aus dem Haus ergoss. Offenbar war das Fest abgebrochen worden. An diesem Abend würde es kein Maskenspiel geben. Während die reichen jungen Adeligen sich zu Pferd oder in ihren schmucken Wagen auf den Heimweg begaben, sprach ich von dem kalten, einsamen Haus am Rand des Moors und dem tapferen Sterben ihrer Mutter. Lady Maria weinte, die Hand um das Kruzifix an ihrem Hals, während sie mir zuhörte. Norfolk, Gardiner und Bruder Edmund standen schweigend in diskretem Abstand. Nachdem ich beschrieben hatte, wie die Königin bis zur Morgendämmerung durchgehalten hatte, um ihre letzte Messe zu hören, und dann gestorben war, senkte ich den Kopf. Einen Moment lang war es ganz still im Raum.
Dann sagte Lady Maria: »Ich weiß, dass Ihr damals in Vertretung Eurer Mutter kamt, aber ich werde Euch immer von Herzen dankbar sein für die Dienste, die Ihr meiner Mutter, der Königin, geleistet habt. Jeder, der meiner Mutter Gutes getan hat, verdient Lohn dafür. Sagt mir, was ich für Euch tun kann, um wenigstens einen Teil meiner Schuld abzutragen.«
Ich warf schnell einen Blick zu Bruder Edmund. Ich wusste immer noch nicht, wie viel ich ihr verraten sollte – hätten er und ich uns nur beraten können! Aber das war nicht möglich.
»Lebt Ihr jetzt bei Hof?«, fragte sie. »Ich habe Euch nie dort gesehen, Miss Joanna.«
»Nein, Milady, nach dem Tod der Königin habe ich den Schleier genommen.«
Sie war verwirrt. »Dann ist dies keine Verkleidung?«, fragte sie mit einem Blick auf mein Habit.
»Doch, es ist eine Verkleidung«, antwortete ich stockend. »Ich bin bei den Dominikanerinnen in Kloster Dartford.«
»Ah, Dartford«, sagte sie lächelnd. »Meine Mutter hat mir von denDominikanerinnen erzählt. Sie hat sie bewundert, das weiß ich. In Spanien genießen sie die höchste Ehre.«
Ich holte tief Atem. »Lady Maria, ich habe das Gelübde in Dartford abgelegt, weil Eure Mutter mich darum gebeten hat.«
Wieder traten ihr Tränen in die Augen. »Ihr seid mir wahrhaftig so lieb wie keine andere Frau, die noch unter den Lebenden weilt. Sagt mir, was Ihr wünscht, Schwester Joanna, und ich will es Euch mit Freuden gewähren, was immer es auch sein mag.«
Ich spürte die Spannung auf der anderen Seite des Raums, wo die Männer warteten. »Lady Maria«, sagte ich, noch ein wenig näher zu ihr tretend, »ich bitte nicht für mich, sondern für meinen Vater, Sir Richard Stafford, der im Tower festgehalten wird. Ihm wird vorgeworfen, bei der Verbrennung meiner Cousine, Lady Margaret Bulmer, den Vollzug der Gerechtigkeit gestört zu haben.«
Sie sah mich bedauernd an. »Für einen Gefangenen im Tower kann ich nichts tun. Ich kann den Befehlen meines Vaters nicht zuwiderhandeln.«
»Aber er wird auf Anordnung des Herzogs von Norfolk und Bischof Gardiners festgehalten«, entgegnete ich. »Nicht auf Befehl des Königs.«
Sie wandte sich den Männern zu. »Ist das wahr? Exzellenz, warum tut Ihr das? Wird dieser Mann für gefährlich gehalten – ist er ein Verräter?«
Gardiner war der innere Kampf anzusehen, als er ihrem Blick begegnete. »Nein«, antwortete er schließlich gepresst. »Er wollte das Leiden einer Angehörigen verkürzen, die in Smithfield verbrannt wurde, aber das ist schon alles. Als Verrat kann das nicht gelten.«
»Werdet Ihr dann dafür sorgen, dass er auf freien Fuß gesetzt wird?«, fragte sie. »Habt Ihr die Befugnis dazu?«
Gardiner und Norfolk tauschten einen Blick.
»Warum zögert Ihr?«, rief sie ärgerlich.
Gardiner verneigte sich. »Ich werde es veranlassen. Stafford wird spätestens in sieben Tage freigelassen werden.«
»Das freut mich«, sagte sie, bevor sie das Wort wieder an mich richtete. »Kann ich sonst noch etwas für Euch tun?«
»Ich muss nur zusammen mit Bruder Edmund
sicher
nach Dartfordzurückkehren.« Ich gab dem Wort ›sicher‹ eine Betonung, die niemand im Raum missverstehen konnte. »Ich bitte Euch um Euren Segen, Lady Maria.«
Sie ergriff meine Hände und drückte sie. »Ihr habt eine Freundin fürs Leben. Meiner Mutter, der Königin, war ein dominikanischer Segensspruch besonders lieb. Soll ich ihn für Euch sprechen?«
Bruder Edmund und ich
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