Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
Vom Netzwerk:
Jahren nicht einmal teilweise erfassten: nicht die verdunkelten Räume, die Kräuterwickel, Tinkturen und Tees und die Aderlässe, die niemals halfen.
    Der Herzog sprach weiter, mehr an Sir William und den Hauptmann als an mich gewandt. »Als Katharina von Aragón vom König geschieden und vom Hof verbannt wurde, durften ihre bevorzugten Hofdamen nicht bei ihr bleiben. Am Ende jedoch, als sie sterbenskrank war, zeigte sich der König großherzig. Ihre beiden spanischen Hofdamen wurden an ihre Seite zurückberufen: Maria de Salinas, die einen Engländer heiratete und Gräfin von Willoughby wurde, und Isabella Montagna, die, ebenfalls durch die Heirat mit einem Engländer, Lady Stafford wurde.«
    Der Herzog warf einen Blick in einen der anderen Briefe.
    »Hier haben wir den Bericht von Chapuys, dem spanischen Botschafter. Es war eines der Schreiben, die abgefangen und kopiert wurden, bevor sie England verließen.« Der Herzog lächelte geringschätzig. »In dem Schreiben an Kaiser Karl heißt es: ›Eure selige Tante, die Königin, starb in den Armen ihrer Hofdamen, der Gräfin von Willoughby und Miss Stafford.‹ Damals glaubte ich, ihm sei nur ein Fehler unterlaufen und er meine Lady Stafford.«
    Der Herzog holte tief Atem.
    »Ich bin ein Mann von Gründlichkeit, Miss Stafford, ob ich mich nun auf eine Schlacht vorbereite oder auf die Befragung eines Staatsgefangenen. Ich forderte deshalb die jüngsten Unterlagen zu der Familie an, die auf Stafford Castle zu Hause ist, und dies hier habeich soeben erhalten.« Er hielt ein Schreiben hoch; ich konnte die Unterschrift darauf nicht entziffern. »Da heißt es: ›Lady Isabella Stafford starb am 5.   November 1535.‹ Ich finde das sehr interessant. Katharina von Aragón nämlich ist am 7.   Januar 1536 verstorben. Also erst zwei Monate später.«
    Er schrie jetzt nicht mehr. Sein Ton war ruhig, beinahe sanft. »
Ihr
, Joanna Stafford, seid nach Kimbolton Castle zu Katharina von Aragón gereist und habt sie in den letzten Wochen ihres Lebens betreut. So ist es doch, nicht wahr?«
    Ich erwiderte seinen festen Blick mit gleicher Festigkeit. »Ja«, bestätigte ich. »So ist es. Der Ruf an meine Mutter kam eine Woche nach ihrem Tod, und da bin ich an ihrer Stelle gereist. Meine Mutter hätte es so gewünscht.«
    Der Herzog nickte bedächtig. »Ihr selbst habt der Frau gedient, die der Anlass zu so viel Zank und Streit war. Wie viele Menschen haben für sie ihr Leben gelassen? Kardinal Fisher. Thomas Morus. Wisst Ihr, wo ich heute Morgen war, bevor ich in den Tower kam? In Newgate. Dort werden sieben Kartäusermönche in Ketten gehalten, Miss Stafford, und ich habe die Anordnung unterzeichnet, ihnen die Nahrung zu entziehen. Sie haben sich geweigert, den Suprematseid zur Anerkennung Heinrichs als höchstes Oberhaupt der Kirche von England abzulegen. Und deshalb werden sie nun den Hungertod sterben.«
    Den starr ausgestreckten Zeigefinger auf mich gerichtet, sagte er: »Katharina von Aragón ist in
Euren
Armen gestorben, und danach habt Ihr beschlossen, Nonne zu werden, um die alten Formen hochzuhalten, denen sie tief verbunden war. Und Ihr erwartet, dass Euch irgendjemand glaubt, Ihr wärt nicht in verräterischer Absicht nach Smithfield gekommen?«
    Er schien gar nicht mit einer Antwort zu rechnen, und ich gab ihm auch keine.
    »Es wird jetzt eine gründliche Untersuchung gegen Euch eingeleitet werden, Joanna Stafford. ›Stellt mich vor Gericht‹, habt Ihr gefordert, als wäre ich Euer verdammter Lakai. Seid gewiss, Ihr werdet Euer Gerichtsverfahren bekommen.«
    Der Herzog spielte mit seiner Reitgerte herum. »Meine Arbeit hierist getan, Kingston, wir müssen nun mit aller gebotenen Eile voranschreiten.« Damit ging er, von den beiden anderen Männern gefolgt, zur Tür. Dort hielt er noch einmal inne, um einen letzten Blick hämischer Genugtuung auf mich zu werfen.
    »Dies ist wahrlich ein Glückstag für unseren Herrn, den König.«
    Dann schlug die Tür hinter ihnen zu, und ich war zum ersten Mal seit meinem Erwachen am Morgen allein in meiner Kerkerzelle. Ich sank auf die Knie und senkte den Kopf.
    Gott der Allmächtige wusste, dass ich unschuldig war. Ich hatte weder Verschwörung noch Verrat geplant. Wie alle Mitglieder der Familie Stafford hatte ich vor zwei Jahren den Suprematseid geleistet. Mein Cousin Henry hatte in seinem Bestreben, unsere unbedingte Loyalität zu beweisen, darauf bestanden, dass wir als erste der alten Familien diesen Akt vollzogen. Und danach

Weitere Kostenlose Bücher