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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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gesprochen?«
    »Niemand.«
    Er holte tief Atem; es war offensichtlich, dass er um seine Selbstbeherrschung kämpfte. »Schwester Joanna, ich frage Euch noch einmal: Wo ist die Athelstan-Krone?«
    Ich hob den Kopf und sah ihm direkt in die Augen. »Exzellenz, ich schwöre, dass ich es nicht weiß, und ich schwöre, dass niemand in Dartford mit mir über sie gesprochen hat. Das ist die Wahrheit.«
    »Schwester Joanna, ich kann nicht Tage mit dieser Angelegenheit verschwenden, wenn ich weiß, dass meine Feinde jeden meiner Schritte beobachten. Zum letzten Mal, was wisst Ihr über die Krone in Dartford?«
    Ich schwieg.
    Der Bischof drehte sich um und eilte zur Tür. »Lasst mich hinaus!«, rief er laut. Immer noch mit dem Rücken zu mir, sagte er: »Denkt daran, was jetzt mit Euch geschieht, habt Ihr Euch selbst zuzuschreiben.« Ohne einen weiteren Blick stürmte er mit wehenden Gewändern aus der Zelle.
    Ich wusste nicht, wer mich als Nächstes aufsuchen oder wohin man mich nun bringen würde. Ich hoffte nur, es würde schnell gehen. Ich spürte, dass etwas in mir zu zerbrechen drohte; ich fürchtete, ich würde den seelischen Qualen weiterer Gefangenschaft nicht standhalten können. Die schwarze Schwermut würde für immer über mir zusammenschlagen.
    Meine Gebete zu Gott waren lange nicht erhört worden. Diesmal aber wurde mir schnelle Erlösung zuteil. Sir William Kingston kam, noch ehe eine Stunde vergangen war, in meine Zelle zurück und sagte: »Kommt mit mir, Schwester Joanna.«
    Ich folgte ihm wortlos die steinerne Treppe hinunter und zur Türdes Beauchamp Tower hinaus auf den Anger. Die Sonne schien so hell, dass ich, an so viel Licht nicht mehr gewöhnt, auf der Vortreppe stolperte und beinahe gefallen wäre.
    Kingston führte mich zu einem viereckigen Steinbau am Südende, kleiner als der White Tower und der Beauchamp. Drinnen führte eine Treppe hinunter zu einem langen Gang, an dessen Ende Bischof Gardiner wartete. Die Arme vor der Brust verschränkt, fixierte er mich mit zornigem Blick.
    Sir William führte mich zu ihm und verneigte sich. »Exzellenz, mir behagt dieses Vorgehen nicht«, sagte er leise.
    »Ich walte nur meines Amtes«, entgegnete der Bischof verärgert. Er überlegte einen Moment, dann zuckte er mit den Schultern. »Wenn Ihr Zweifel hegt, könnt Ihr jederzeit gehen. Ich weiß, dass Euch nicht Zartgefühl treibt, sondern die Angst, für einen Verfahrensfehler verantwortlich gemacht zu werden.«
    Sir William zuckte unter dem scharfen Hieb ein wenig zusammen. Er eilte zur Treppe zurück, als könnte er nicht schnell genug entkommen.
    »Willkommen im Bell Tower, Schwester Joanna«, empfing Bischof Gardiner mich in schroffem Ton. Er stieß eine Holztür auf und winkte mir, ihm zu folgen. Mit hämmerndem Herzen trat ich über die Schwelle in einen düsteren Raum, an dessen hinterem Ende zwei Kerzen flackerten. Draußen schien die Sonne, aber hier war es so dunkel wie in den Gängen des White Tower zur Mitternacht. Ich hörte ein stetiges Tropfen, ohne erkennen zu können, woher es kam.
    Der Bischof packte mich beim Arm und zog mich unsanft weiter. Mir drehte sich der Magen um bei dem Gestank, der mir entgegenschlug. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, den Raum vor meiner Ankunft mit Lauge zu säubern. Es roch nach menschlichen Ausscheidungen und Krankheit. Undeutlich konnte ich seltsame Gegenstände erkennen: zwei lange Tische und eine dicke Säule, die mit Ketten umwickelt war.
    »Kein hübsches Gemach, nicht wahr, Tobias?«, meinte der Bischof. »Aber man gewöhnt sich daran.«
    Rechts von mir bewegte sich jemand. Ein Mann. Er war nicht groß und zu meinem Entsetzen nur notdürftig bekleidet mit einer dunklenStrumpfhose, die mit einem Strick gegürtet war. Ein Hemd trug er nicht, der schwache Schein der Kerzen flackerte auf muskulösen Armen.
    »Wie geht es unserem   – Gast?«, fragte der Bischof.
    »Der ist gerade nicht bei sich.« Tobias’ Stimme knirschte wie grober Kies.
    »Ah. Nun ja, du weißt, was da zu tun ist.«
    Der Bischof zerrte mich näher zu Tobias, der an einem merkwürdigen Tisch stand. Er glich einer Werkbank, über der Rollen mit Seilen angebracht waren.
    Der Bischof stieß mich noch näher. Mir verschlug es den Atem. Auf dem Tisch lag ein besinnungsloser Mann. Arme und Beine, in Schlingen gefesselt, waren bis zum Äußersten gespannt. Der Mittelteil seines Körpers wölbte sich über dornengespickten Walzen. Ich wusste sofort, was ich da vor mir hatte: eine

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