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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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ehrerbietig.
    Der Bischof wandte sich Norfolk zu und tätschelte ihm zu meiner Verwunderung den Arm. »Ihr braucht nicht zu bleiben, Thomas«, sagte er mit gedämpfter, angenehmer Stimme. »Ich weiß, dass dringende Geschäfte auf Euch warten.« Norfolk nickte nur und zog sich zurück, worauf der Bischof sich mit einer, wie ich fand, etwas herrischen Geste an die Kingstons und Bess wandte. »Auch Ihr könnt gehen. Ich werde allein fortfahren. Das wird einfacher und fruchtbarer sein.«
    Einer nach dem anderen verließen sie die Zelle.
    Er sah mich mit einem Lächeln an, einem flüchtigen, kühlen Lächeln. »Mein Name ist Stephen Gardiner, Schwester Joanna«, sagte er. »Ich verkehre seit Jahren bei Hof, aber ich glaube, wir sind uns nie begegnet.«
    Ich schüttelte den Kopf. Es war mir eine solche Erleichterung, endlich wieder meinen Ordensnamen zu hören. Im Tower hatte niemand ihn verwendet, weil ich nur Novizin war.
    Bischof Gardiner trat einen Schritt näher und musterte mich aufmerksam. »Ihr seht in der Tat sehr matt aus, Schwester. Ihr seid dochhoffentlich nicht krank? In der Stadt geht das Schweißfieber um. Solltet Ihr Euch irgendwie angesteckt haben, so kann das, soweit ich unterrichtet bin, böse Folgen haben.«
    Er hatte die Stimme nicht erhoben. Aber gerade die ruhige Gemessenheit, mit der er sprach, machte mich vorsichtig.
    »Es geht mir gut«, sagte ich.
    »Ich weiß, dass dieser Aufenthalt im Tower nicht leicht für Euch war.« Er seufzte. »Es ließ sich nicht vermeiden. Ich konnte nicht früher nach London kommen. Allein die bevorstehende Geburt des königlichen Erben lieferte Grund genug, mir zu gestatten, meine Pflichten in Frankreich vorübergehend hintanzustellen.«
    »Dann wurde ich also nur deshalb monatelang hier festgehalten, weil wir auf Eure Rückkehr nach England warten mussten?«, fragte ich verwirrt.
    Er antwortete nicht.
    »Habt
Ihr
in dieser ganzen Zeit für die besonderen Annehmlichkeiten bezahlt, die mir zugestanden wurden?«
    Der Bischof von Winchester nickte kurz, kaum wahrnehmbar.
    Ich sank auf die Knie und hob die gefalteten Hände. »Ehrwürdiger Bischof, bitte glaubt mir, ich habe mich keines Vergehens gegen den König schuldig gemacht. Ich habe meine Cousine, Margaret Bulmer, geliebt und wollte ihr lediglich die letzte Ehre erweisen, indem ich ihrer Hinrichtung beiwohnte. Niemals habe ich mich gegen den König verschworen. Ich habe den Suprematseid abgelegt. Ich bin eine treue Untertanin.«
    Der Bischof beugte sich zu mir hinunter und legte mir seine kühlen, gepflegten Hände auf die Schultern. »Das weiß ich«, sagte er.
    Er strich mir über die schlicht im Nacken gebundenen Haare. Nichts Lüsternes war an der Geste, und dennoch fühlte ich mich angewidert. Es war, als kraulte ein Jäger sein bestes Pferd im Stall.
    »Ich frage mich«, murmelte er nachdenklich, »ob Ihr es seid, die mich zu Fall bringen wird.«

Kapitel 13
    Ich setzte mich, wie befohlen, auf den Stuhl in meiner Zelle. Bischof Gardiner stand vor mir, die Hände lose zusammengelegt. Ich musste sie einfach anstarren   – ich hatte nie einen Mann mit so langen Fingern gesehen. Er streckte die beiden Zeigefinger und begann, sie gegeneinander zu klopfen. Er sprach kein Wort.
    »Ehrwürdiger Bischof?«, wagte ich schließlich zu fragen.
    »Ihr möchtet Euren Vater sehen, Sir Richard Stafford.«
    Als könnte er Gedanken lesen.
    »Oh, ja. Ja«, stammelte ich. »Wäre das möglich, Exzellenz?«
    »Wann und wie Ihr ihn sehen werdet, hängt ganz von Euch ab, Schwester Joanna«, antwortete er. »Alles hängt von Euch ab.« Wieder spürte ich hinter der ruhigen Fassade eine kaum gezügelte Erregung.
    Er senkte die Hände. »Sagt mir alles, was Euch über mich bekannt ist.«
    Das war ein unerwartetes und schwieriges Verlangen. Hätte ich nur dem Tratsch auf Stafford Castle über die Männer, die im Kronrat saßen, mehr Beachtung geschenkt! Aber in meinem Gedächtnis verschwammen sie alle miteinander, ob nun geistliche Würdenträger oder Edelmänner, Soldaten oder Sekretäre. Ich wusste, dass Gardiner ordiniert worden war, als der wahre Glaube in England noch rein und unbefleckt gewesen war; er war keiner von den ketzerischen Bischöfen. Doch er war der vertraute Berater des Königs und ein Verbündeter des Herzogs von Norfolk. Das war Grund genug, vorsichtig zu sein.
    »Ihr wart zunächst ein Anhänger von Kardinal Wolsey. Ihr wart ihm unterstellt, und nachdem er   …« Ich versuchte verzweifelt, mir den Ablauf der

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