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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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ihr aus Spanien gekommen und stand ihr sehr nahe. Sobald sie da war, verfiel die Königin besorgniserregend. Es war gerade so, als hätte sie nur auf Maria gewartet. Kurz nach Mitternacht fragte sie, ob es schon Morgen werde. Sie wusste, dass sie dem Tod nahe war, und wollte ein letztes Mal die Messe hören. Ihr Beichtvater sagte, er könne die Messe auch gleich abhalten, aber das wollte sie nicht. ›Nein, wir müssen bis zum Morgen warten‹, sagte sie und belehrte uns mit Bibelsprüchen, dass die Messe niemals vor Morgengrauen gelesen werden dürfe. Die Königin war sehr fromm. Sie trug ein härenes Hemd unter ihrem Nachtgewand.
    Das waren die längsten Stunden meines Lebens. Die ganze Zeit beteten wir zusammen. Wir weinten, aber wir versuchten, es vor ihr zu verbergen. Es waren noch Stunden bis zum Morgen, als sie mich fragte: ›Juana, bist du fromm?‹ Ich antwortete: ›Ja, Hoheit, ich bemühe mich.‹ Dann sagte sie: ›Du bist unverheiratet?‹ Als ich bejahte, schwieg sie eine Zeitlang, und dann sagte sie: ›Du solltest in die Ordensgemeinschaft der Nonnen in Dartford eintreten.‹ Sie sah mich so eindringlich an, und auch die anderen sahen mich so aufmerksam an, der Arzt, Maria de Salinas, ihr Beichtvater, dass ich sagte: ›Ja, Hoheit.‹ Es schien ihr Frieden zu geben.«
    Der Bischof musterte mich neugierig. »Katharina von Aragón hat Euch also diesen Gedanken nahegebracht?«
    Ich nickte trotzig. »Ja.«
    »Aber was ist mit der Athelstan-Krone?«, fragte er ungeduldig. »Ihr habt sie immer noch nicht erwähnt.«
    »Das war ungefähr eine Stunde später. Die Königin drehte ein wenig den Kopf, sie konnte sich ja kaum bewegen, und sah mich an. Als ich mich zu ihr hinunterbeugte, flüsterte sie: ›Arthur. Maria. Dartford. Die Athelstan-Krone. Beschütze meine Tochter. Versprich es mir, Juana. Hüte das Geheimnis der Krone um ihretwillen. Sprich mit niemandem darüber. Wenn du mich liebst, so sprich mit niemandem darüber.‹«
    Von Gewissensqualen gepeinigt starrte ich zu Boden.
    Der Bischof wiederholte die Worte. »Arthur. Maria. Dartford. DieAthelstan-Krone. Beschütze meine Tochter.« Nachdenklich sah er mich an. »Niemand sonst hat das gehört?«
    »Doch, wahrscheinlich haben es alle gehört, die in der Nähe waren. Aber sie sprach spanisch, und der Doktor und Maria waren gerade nicht da.«
    Der Bischof holte einmal tief Luft. »Katharina von Aragón hat Euch also nach Dartford geschickt.«
    »Nein, sie hat mich nicht
geschickt
«, widersprach ich mit belegter Stimme. »Sie empfahl mir, in dieses Kloster einzutreten. Als ich nach Stafford Castle zurückgekehrt war, begann ich ernsthaft über diese Möglichkeit nachzudenken, meinem Leben einen Sinn zu geben. Und nach einigen Wochen ernster Gebete fasste ich meinen Entschluss.«
    »Habt Ihr je mit der Priorin über die Athelstan-Krone gesprochen?«
    »Aber nein, natürlich nicht.«
    Seine Fragen kamen geflogen wie Pfeile.
    »Habt Ihr Euch nie darüber Gedanken gemacht, warum sie Euch ausgerechnet Dartford anempfohlen hatte?«
    »Ich wusste, dass Eleonore von Kastilien als Erste die Gründung unseres Klosters betrieben hatte. Die Mutter von Königin Katharina war Kastilierin. Für mich war das völlig einleuchtend. Die Dominikaner haben ihren Ursprung in Spanien, und Königin Katharina war Spanierin. Dartford ist das einzige dominikanische Nonnenkloster in England.«
    »Und was hielt die Priorin von dem Wunsch der Königin, dass Ihr ihrer Ordensgemeinschaft beitretet?«
    »Ich habe ihr nie etwas davon gesagt«, antwortete ich.
    »Warum nicht?«
    Ich ließ mir einen Moment Zeit, um die richtigen Worte zu finden. »Wenn ich von meinem Gespräch mit der Königin berichtet hätte, das so kurz vor ihrem Tod stattgefunden hat, so hätte das ausgesehen, als wollte ich mich in ein besonderes Licht setzen. Ich wollte meiner eigenen Verdienste wegen anerkannt werden.«
    Der Bischof sah mich erstaunt an. »Ihr seid eine ungewöhnliche junge Frau, Schwester Joanna.«
    Ich nahm seine Worte schweigend zur Kenntnis. Die Müdigkeit ergriff wieder Besitz von mir, die Lider wurden mir schwer. Wie aus weiter Ferne hörte ich ihn sagen: »Ein Augenblick wie dieser, wenn eine solche Frage endlich ihre Antwort findet, ist es wert, für die Nachwelt festgehalten zu werden.«
    »Antwort?«, wiederholte ich halb benommen.
    »Gewiss. Ich weiß jetzt, dass es die Athelstan-Krone gibt. Und sie befindet sich im Kloster Dartford.«
    Ich kämpfte gegen die Schläfrigkeit. »Aber die

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