Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne
einige Ordensbrüder aus der Abtei Kings Langley, um die Heilige Messe zu zelebrieren, die Finanzen des Klosters zu verwalten und andere Verwaltungsaufgaben zu erledigen. Einer dieser Brüder leidet an Wassersucht, ist das richtig?«
Ich nickte, bestürzt, dass das Leiden des armen alten Bruder George so weithin bekannt war.
»Er ist nach Kings Langley in Hertfordshire zurückgerufen worden.Bruder Richard wird ihn als Superior und Cellerar ablösen. Bruder Edmund besitzt Kenntnisse in der Kräuter- und Heilmittelkunde. Er wird die Krankenpflege in Eurem Kloster und im Dorf verändern.«
Die Tür hinter dem Bischof öffnete sich, und Bess und eine zweite Dienerin trugen Platten voller Speisen herein.
»Ausgezeichnet.« Der Bischof strahlte. »Schwester Joanna, auch Ihr müsst etwas zu Euch nehmen. Meiner Berechnung nach werdet Ihr kurz nach Sonnenuntergang in Dartford ankommen, und Ihr könnt nicht damit rechnen, dass Ihr dort so spät noch eine Mahlzeit bekommt.«
Ich umfasste die Rückenlehne des Stuhls, hinter dem ich stand. »Ich reise noch heute nach Dartford?«
»Ihr alle drei.«
»Aber die Priorin weiß von alledem nichts.« Ich hörte die ängstliche Nervosität in meiner Stimme.
»Vor zehn Minuten wurde ein reitender Bote abgesandt, der sie davon unterrichten wird, dass Ihr frei seid und die beiden Ordensbrüder begleitet«, sagte er gelassen. »Die Straßen sind trocken, die Botschaft wird zwei Stunden vor Euch eintreffen. Nehmt jetzt Platz, ich bitte Euch.«
Ich setzte mich. Bess tischte die Speisen auf: Fleischstücke, Dörrfischstreifen und Brot. Der würzige Duft von Fleisch und Fisch erfüllte das Gemach. Bruder Richard griff zu, als wäre es für ihn die erste Mahlzeit seit Tagen, während Bruder Edmund eher wenig aß.
Während alle mit dem Essen beschäftigt waren, warf Bess mir unbemerkt einen Blick voll freudiger Erregung zu. Für sie mussten das frohe Nachrichten sein – nicht nur wurde ich auf freien Fuß gesetzt, ich durfte auch in mein früheres Leben zurückkehren. Ich fragte mich, was sie denken würde, wenn sie wüsste, dass ich ein Versprechen, das ich Königin Katharina auf dem Sterbebett gegeben hatte, gebrochen und eingewilligt hatte, nach Dartford zu reisen, um das Vertrauen der Priorin zu missbrauchen.
Aber halt – wann hatte ich denn in irgendetwas eingewilligt?
In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken, während ich den warmen gewürzten Wein trank und ein Stück Fleisch dazu aß –seit Monaten hatte ich dergleichen nicht mehr gekostet. Im Kloster gab es Fleisch nur an Festtagen und dann meistens in Form einer Pastete.
Der Bischof stand am Ende der Tafel und knabberte einen Stockfisch, während er sich mit den Ordensbrüdern aus Cambridge unterhielt. Er erkundigte sich nach Einzelheiten über eine neue Druckerpresse, dann nach Neuigkeiten aus der Universität. Nachdem Bruder Richard eine lange Klatschgeschichte erzählt hatte, warf der Bischof den Kopf zurück und lachte laut. »Ah, wie sehr fehlt mir doch die dominikanische Arroganz.« Bruder Richard sah ihn lächelnd an. Der Bischof schien sehr ungezwungen im Umgang mit den Brüdern. »Er bevorzugt den alten Glauben«, hatte Charles Howard gesagt. Niemand, der ihn in diesem Moment gesehen hätte, hätte dem widersprochen.
Ich spürte, dass jemand mich beobachtete. Bruder Edmund. Seine großen braunen Augen standen in eigenartigem Kontrast zu seinem aschblonden Haar. Plötzlich kam er mir bestürzend bekannt vor. War ich ihm schon einmal begegnet?
Der Bischof hielt ein Salatblatt hoch. »Als ich ein junger Schüler war und in Paris weilte, wohnte eine Woche lang Erasmus im selben Haus. Ich nahm es freiwillig auf mich, bei der Zubereitung der Speisen für ihn zu helfen. Am liebsten aß er Salat – wie viel Mühe gab ich mir damals, um ihn genau richtig mit Butter und Essig zu würzen. Er sagte, er habe nie eine feiner zubereitete Speise genossen.«
Bruder Richard lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Und Ihr bedauert es nicht, Erasmus mit so viel Fürsorge bedient zu haben?«
Der Bischof schüttelte den Kopf. »Ich weiß, was Ihr sagen wollt – dass Erasmus die Fackel entzündete, die Luther dann zu vollem Brand entfachte. Aber es ist viel komplizierter.«
Die Tür wurde geöffnet. Auf der Schwelle stand der Hauptmann und maß uns alle, insbesondere die Ordensbrüder mit ihren Tonsuren, mit feindseligem Blick. Dieses gesellige Mahl war ihm offensichtlich ein Dorn im Auge.
Steif trat er zu
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