Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne
Königin muss verwirrt gewesen sein. Die Krone ist nicht dort. Ich weiß nicht einmal, was sie eigentlich ist. Niemals habe ich dort jemanden die Worte
Athelstan-Krone
aussprechen hören. Und ich habe immerhin sieben Monate in Dartford gelebt.«
»Katharina von Aragón war eine kluge und außergewöhnliche Frau, noch in der Stunde ihres Todes. Die Krone existiert. Sie ist sorgsam versteckt, schon seit Generationen. Aber das wird nicht mehr lange so bleiben.«
»Warum sagt Ihr das?«, fragte ich erschrocken. »Habt Ihr vor, nach Dartford zu reisen?«
Der Bischof lachte sarkastisch. »Wo mich Cromwells Spitzel auf Schritt und Tritt beobachten? Wohl kaum.«
Sein Blick richtete sich auf mich.
»Nein, Schwester Joanna. Nicht ich werde die Athelstan-Krone finden. Ihr werdet das tun.«
Kapitel 15
Es ist unklug, einen Mann auszulachen. Und es war mehr als unklug, Stephen Gardiner auszulachen, den Bischof von Winchester, der in der vergangenen Stunde gezeigt hatte, dass er selbst vor Folter nicht zurückschreckte. Aber was er gesagt hatte, war so absurd, dass ich nicht anders konnte.
»Glaubt Ihr im Ernst, ich könnte einfach ins Kloster hineinspazieren und anfangen, Schubladen zu öffnen und in dunklen Ecken zu kramen?«, fragte ich, immer noch außer Atem. »Ich habe mein Gelübde gebrochen, als ich nach Smithfield reiste. Ich bin seit Mai hier im Tower eingekerkert. Ich habe ewige Schande auf mich geladen.«
Der Bischof blieb ungerührt. »Wollt Ihr denn nicht zurück – Euer Noviziat fortsetzen?«
»Selbst wenn ich das wollte, wäre es unmöglich.«
»Schwester Joanna, Ihr neigt dazu, mich zu unterschätzen. Ich bin der Bischof von Winchester. Ich brauche nur an Eure Priorin zu schreiben, und Ihr werdet wieder aufgenommen werden, ohne dass man Euch auch nur eine Frage stellt.«
Ich schüttelte den Kopf. »Die dominikanische Ordensgemeinschaft ist einem englischen Bischof keinen Gehorsam schuldig.«
Jetzt war er es, der lachte. »Ihr alle, Eure Priorin eingeschlossen, habt den Suprematseid abgelegt und geschworen, König Heinrich VIII. als Oberhaupt der Kirche von England Gehorsam zu leisten. Ich bin sein Vertreter. Die Priorin von Dartford muss sich meinem Willen beugen, sie hat gar keine Wahl.«
Der Gedanke, mein Leben in Dartford wiederaufzunehmen, war erregend.
Ein Herz und eine Seele in Gott.
Diese Worte hatte der heilige Augustinus vor vielen Jahrhunderten gesprochen, als er die erste Glaubensgemeinschaft gegründet hatte. Die Priorin Elizabeth hatte sie mir an jenem ersten Nachmittag zitiert, als ich nervös in ihrem Amtszimmer saß. Ein so schlichtes Bekenntnis – und so wahr. Ich hörte wieder die Gesänge, roch den Weihrauch, fühlte unter meinen Fingern die Seiden auf dem Webstuhl. Das Verlangen, in dieses Leben zurückzukehren, war beinahe überwältigend.
»Ich könnte niemals etwas tun, was meinem Orden schadet«, murmelte ich.
Der Bischof schlug auf den Tisch. »Misstraut Ihr mir immer noch?«
»Zwischen uns kann es niemals Vertrauen geben«, antwortete ich. »Ihr habt meinen Vater foltern lassen!«
»Ich wollte niemandem Schmerz zufügen«, erklärte er. »Ihr selbsthabt diese unschöne Begegnung heraufbeschworen. Ich tue nur, was ich tun muss, um die Klöster vor der Vernichtung zu bewahren. Ich trage die Verantwortung für Tausende von Seelen.«
»Aber der König geht doch gar nicht weiter gegen die Klöster vor«, sagte ich verwirrt. »Er hat die kleineren Abteien und Klöster auflösen lassen, oder solche, in denen Regellosigkeit um sich gegriffen hatte. Aber die großen Klöster haben nichts zu befürchten. Unsere Priorin hat uns versichert, dass sie
niemals
aufgelöst werden könnten. Es ist einfach nicht möglich.«
Der Bischof lächelte bitter. »Glaubt Ihr im Ernst, Schwester Joanna, dass unser Lordsiegelbewahrer und Generalvikar Cromwell innehalten wird, nachdem er den Erlös aus dem Verkauf dieser kleinen Klöster, die vielleicht zweihundert Pfund oder weniger wert sind, der königlichen Schatulle einverleibt hat? Dass er nicht darauf brennt, auch die größeren Klöster aufzulösen, um gerade zu einer Zeit, da die königliche Schatzkammer nahezu leer ist, der Krone die Reichtümer von Jahrhunderten zu sichern?«
Ich war einen Moment sprachlos. So viel Bosheit überstieg meine Vorstellungskraft. »Aber wie soll der Fund einer mysteriösen Krone Cromwell und den König aufhalten, wenn sie so entschlossen sind? Ich weiß nicht einmal, was es damit auf sich hat. Steht
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