Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne
mir, übergab mir ein Paket, machte dann auf dem Absatz kehrt und ging wieder. Der Bischof verfolgte mit zusammengekniffenen Augen jede seiner Bewegungen.
Das Paket enthielt die Bücher, die man mir überlassen hatte – die Schriften Thomas von Aquins –, und die Börse mit dem bescheidenen Schmuck, die ich nach Smithfield mitgenommen hatte. Mit klopfendem Herzen suchte ich das Kettchen mit dem Thomas-Becket-Medaillon heraus und wickelte es mir um das Handgelenk.
Der Sekretär des Bischofs kehrte zurück, und die beiden Männer besprachen sich leise in einer Ecke des Gemachs, während die Brüder ihre Mahlzeit beendeten.
Als Bess begann, den Tisch abzuräumen, zupfte ich sie am Ärmel und legte verstohlen die Börse mit dem Schmuck auf ihr Servierbrett. Fragend sah sie mich an.
»Vergiss mich nicht«, flüsterte ich.
»Die Jungfrau Maria wird Euch beschützen«, flüsterte Bess zurück. Ich hielt den Blick auf ihren kräftigen, zuverlässigen Rücken gerichtet, als sie aus dem Zimmer ging, und wusste, dass ich sie nie vergessen würde.
Der Bischof übernahm jetzt das Kommando. Die Ordensbrüder wurden von seinem Sekretär hinausgeführt zum wartenden Wagen. Ich würde nachkommen, sagte er, sobald wir noch ein letztes Wort miteinander gewechselt hätten. Er zog mich in die Ecke des Zimmers, wo er mit seinem Sekretär Zwiesprache gehalten hatte.
»Seid vorsichtig, Schwester Joanna«, sagte er. »Ihr müsst mit List vorgehen, um das Versteck zu finden. Keinesfalls dürft Ihr durch offenkundiges Suchen Aufmerksamkeit auf Euch lenken. Sagt niemandem etwas von meinem Auftrag, weder Eurer Priorin noch den Schwestern oder den Brüdern, die Euch begleiten werden.
Niemandem.
Wenn Ihr das Versteck gefunden habt, so teilt das mir allein mit. Schriftlich. Ihr dürft die Krone auf keinen Fall berühren, nicht einmal mit der Fingerspitze. Habt Ihr das verstanden?«
Ich runzelte die Stirn. »Wir dürfen keine Briefe schreiben oder empfangen, höchstens mit ausdrücklicher Erlaubnis der Priorin, die alle Korrespondenz lesen darf.«
»Das weiß ich und habe entsprechende Maßnahmen getroffen. Neben dem Klostergelände liegt im Nordwesten ein ehemaliges Leprahospital, das vor Jahren aufgegeben wurde. Ist das richtig?«
»Ja.«
»Neben dem Haupttor ist ein Fenster, das nach Osten blickt. Seitlich davon werdet Ihr eine Öffnung finden, eine kleine steinerne Höhle, wo Briefe sicher hinterlegt werden können.«
Seine detaillierte Kenntnis dieses verlassenen alten Gebäudes verblüffte mich. Jemand, der das Kloster und die dazugehörigen Ländereien genauestens kannte, musste ihm diese Einzelheiten geliefert haben. Aber so wohlbekannt ihm und seinen Leuten das Anwesen war, sie konnten es nicht betreten. Nicht ohne mich.
»Ich muss nach der Taufe des königlichen Erben, sollte das Kind überleben, sofort zurück nach Frankreich. Die Königin leidet Qualen und scheint der Entbindung nicht näher, die arme Frau.« Er verzog das Gesicht.
Ich hätte ihn des Mitgefühls für eine leidende Frau nicht für fähig gehalten. Meine Verwunderung zeigte sich wohl in meinem Gesicht, denn er sagte: »Ich habe die Trauung Seiner Majestät mit Lady Jane Seymour vollzogen. Sie ist eine gute Christin. Und jetzt – zurück zur Sache. Ich erwarte alle vierzehn Tage einen Bericht über den Fortschritt Eurer Bemühungen, Schwester. Wir haben nicht viel Zeit. Ich habe soeben erfahren, dass Cromwells Kommissare sich für eine neue Inspektionsrunde bei den verbliebenen Klöstern bereitmachen. Sie beginnen in Wales und arbeiten sich nach Osten vor. Sie werden Dartford voraussichtlich erst nach Neujahr erreichen. Wir müssen die Krone finden, bevor sie kommen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Aber Cromwells Leute waren doch schon vor zwei Jahren einmal in Dartford, vor meiner Zeit. Damals hat die Priorin ihnen nichts von einer Krone gesagt, dessen bin ich gewiss. Warum sollte sie es jetzt anders halten?«
»Cromwells Kommissare haben bei ihrer Bestandsaufnahme klösterlichen Vermögens sehr gründlich gearbeitet, Schwester. Man vermutet, dass sie diese Listen aus reiner Besitzgier aufstellen – damit der Lordsiegelbewahrer weiß, wo die üppigste Beute wartet. Aber es könnte auch einen anderen Grund geben.«
Nach einigen Sekunden begriff ich und war entsetzt. »Dienen diese Inspektionen Cromwell nur als Vorwand, um in den Klöstern nach der Krone suchen zu lassen?«
Der Bischof breitete die Hände aus. »Die Absichten König
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