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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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Klosters für ihn spielen.«
    Die Brüder begannen mit der Priorin, die Pläne für die musikalischen Darbietungen und andere Einzelheiten zu besprechen. Zwar gingen diese Pläne auch mich an, aber mein Interesse schweifte ab. Hinter der Priorin an der Wand hing ein großes Porträt. Es hatte schon immer dort gehangen, aber bis heute hatte ich es nie näher beachtet.
    Der Holzrahmen war mit kunstvollen Schnitzereien in Form von verschlungenen Ranken und Blättern verziert. Die braune Farbe hatte einen Glanz, als wäre das Schnitzwerk vor mehr als einem Jahrhundert einmal von Gold bedeckt gewesen, das langsam verblasst war. Aber mich faszinierte der Mann auf dem Bild, ernst und feierlich, weder alt noch jung, mit braunem Haar, das ihm, in der Mitte gescheitelt, knapp über die Ohren reichte. Er hatte keine Ähnlichkeit mit einem Heiligen oder einem der großen Kirchenfürsten, die von den Dominikanern verehrt wurden. Er sah eher aus wie ein Ritter, wie einer von Chaucers Helden vielleicht. Der dunkel gemusterte Waffenrock spannte über den breiten Schultern; ein schlichtes Medaillon an einer Kette lag auf seiner Brust. Sein Gesicht war edel,mit schmaler Nase und hohen Wangenknochen, aber sein Ausdruck streng und von hochmütiger Kälte. Das Gemälde ging in seiner Lebendigkeit weit hinaus über die formale Starrheit und Gleichförmigkeit der Porträts, die von Künstlern der vergangenen Jahrhunderte geschaffen worden waren, bevor Meister Holbein neue, moderne Anstöße gegeben hatte.
    »Wer ist der Mann auf dem Porträt?«, fragte ich unwillkürlich.
    Die Priorin hielt mitten im Satz inne und drehte sich überrascht nach dem Bild um.
    »Ist das nicht Eduard III., der Gründer dieses Klosters?«, meinte Bruder Richard.
    Die Priorin schüttelte den Kopf. »Nein, das ist sein ältester Sohn, der Prinz von Wales. König Eduard befahl, das Gemälde hier aufzuhängen.«
    »Aber warum hätte er ein Porträt des Schwarzen Prinzen in diesem Gemach haben wollen?«, fragte Bruder Richard.
    Der Schwarze Prinz.
Erst kürzlich hatte ich jemanden von ihm sprechen hören, aber nicht im Kloster. Eine mit Angst verbundene Erinnerung bedrängte mich.
    G
erade als die Priorin Bruder Richard antworten wollte, klopfte es. Der Pförtner meldete die Ankunft eines Boten aus London.
    »Führ ihn herein, Gregory. Bruder Edmund bleibt am besten, aber Ihr könnt gehen, Schwester Joanna. Es ist bald Zeit für die Sext.«
    Mit einer Verneigung eilte ich hinaus. Ich war schon fast bei der Kirche, als mir einfiel, wer vom Schwarzen Prinzen gesprochen hatte. Ich hörte wieder die Stimme Bischof Gardiners in meiner Zelle im Tower: »
Eduard III. ist Euch bekannt? Auch sein Sohn, der Schwarze Prinz? Wie steht es mit Richard Löwenherz? Oder dem toten Bruder unseres Königs, Prinz Arthur?«
    Es gab einen Grund dafür, dass der Bischof vom Schwarzen Prinzen gesprochen hatte; es gab für alles, was er gesprochen hatte, einen Grund. Ich versuchte, mir einen Reim darauf zu machen, warum er die Namen dieser Männer erwähnt hatte. Eduard III. hatte das Kloster Dartford gegründet. Der Schwarze Prinz war der Thronerbe gewesen, jedoch vor seinem Vater gestorben. Prinz Arthur, der Bruder unseres Königs Heinrichs VIII., hatte Dartford kurz vor seinemTod besucht. Wie Richard Löwenherz hier ins Bild passte, konnte ich nicht erkennen. Er hatte Jahrhunderte vor Eduard III. gelebt   – aber Jahrhunderte
nach
König Athelstan. Mir schwamm der Kopf. Welche Verbindung mochte zwischen all diesen Männern bestehen?
    Die Nonnen waren schon in der Kirche versammelt, als ich eintrat und meinen Platz bei den Novizinnen einnahm.
    Schwester Winifred neigte sich zu mir und flüsterte: »Dank Euch, dass Ihr mir geholfen habt.« Schwester Christina, auf ihrer anderen Seite, blickte mich so freundlich an wie noch nie seit meiner Rückkehr. Ich war tief erleichtert. Mit der Zeit würden vielleicht beide Freundschaften wieder gedeihen.
    Ich hörte das Rascheln ihrer Gewänder und erhaschte einen Hauch ihres Bisamapfeldufts, als die Priorin durch den Mittelgang nach vorn schritt. Sie hielt es wie vor ihr die Priorin Elizabeth und betrat die Kirche stets erst, wenn wir alle saßen und bereit waren. Aber in vieler Hinsicht versah sie ihre Pflichten als geistliches Oberhaupt ganz anders als die Verstorbene. Es fiel mir schwer, mich daran zu gewöhnen.
    Als sie sich zu uns herumdrehte, merkte ich sofort, dass etwas geschehen war.
    »Schwestern, bevor wir beginnen, muss ich Euch eine

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