Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
Vom Netzwerk:
Euch beide bitten? Bruder Richard hat mir geholfen, zwei Cistern zu besorgen. Sie sind nicht schwer zu spielen.«
    Schwester Christina begann schon den Kopf zu schütteln, während er noch sprach.
    »Nein, Bruder Edmund. Nur das nicht«, sagte sie.
    »Ich kann Euch zeigen, wie man spielt«, erwiderte er beschwichtigend.
    »Ich
kann
spielen«, entgegnete Schwester Christina. »Aber ich kann nicht für meinen Vater spielen. Verlangt das bitte nicht von mir.«
    Damit lief sie aus dem Saal.
    Bruder Edmund sagte: »Es war ein Irrtum von mir, sie zu bitten. Ich wusste nicht, dass Schwester Christina ihren Vater nicht mag.«
    »Nicht mag?« Ich war entsetzt. »Das stimmt nicht.«
    Er neigte den Kopf. »Noch ein Irrtum von mir. Verzeiht meine Worte, Schwester Joanna. Aber wollen wir uns jetzt nicht an der Musik versuchen? Schwester, darf ich dir das Instrument zeigen? Wenn ich mich recht erinnere, hat unsere Mutter uns beide einige Lieder darauf gelehrt. Die Erinnerung wird schnell zurückkehren.«
    Schwester Winifred setzte sich. »Bevor wir anfangen, muss ich dich etwas fragen, Bruder.«
    »Natürlich.« Er lächelte. »Heute scheint der Tag der Fragen zu sein.«
    Mit ernstem Blick beugte sie sich vor. »Wenn ein Kloster von den Kommissaren des Königs aufgelöst wird, was geschieht dann?«
    Bruder Edmund wurde sehr still. »Ich glaube, dieses Thema sollten wir lieber ruhen lassen.«
    »Aber warum?«
    Er legte behutsam seine Hände um die ihren. »Ich möchte dich nicht beunruhigen. Das tut dir nicht gut.«
    »Aber ich bin kein Kind mehr«, entgegnete sie ruhig. »Ich bin Novizin in einem Kloster und sollte wissen, was die Zukunft bringen kann.«
    Er holte Atem. »Wenn ein Kloster auf Befehl des Königs aufgelöst wird, müssen alle Insassen es innerhalb eines Monats räumen. Esgibt Renten. Manche sind angemessen, andere nicht. Ich weiß von Brüdern, die England verlassen haben und in kirchentreue Länder gegangen sind. Viele Möglichkeiten finden sich dort nicht, deshalb reisen sie häufig in diesen fremden Ländern von Kloster zu Kloster, um eine Unterkunft zu finden. Wenn sie hierbleiben, können sie Priester werden, vorausgesetzt, sie sind bereit, sich den neuen Regeln anzupassen. Oder sie können die Religion ganz aufgeben und sich eine neue Betätigung suchen   – sie können auch heiraten.«
    »Das mag für die Männer gelten, aber was ist mit den Frauen?«, beharrte sie. »Sie haben doch gewiss weniger Möglichkeiten.«
    Bruder Edmund und ich tauschten einen Blick.
    Mit einem Anflug von Ärger in der Stimme sagte Schwester Winifred: »Wenn Schwester Joanna diese Dinge wissen darf, wenn du mit ihr über weltliche Dinge sprechen kannst, dann kannst du das doch mit mir auch.«
    Bruder Edmund nickte reumütig. »Ja, du hast recht. Es stimmt, Frauen haben weniger Möglichkeiten. Sie können auf den Kontinent reisen und hoffen, dass ein Kloster sie aufnehmen wird   – ich habe allerdings bisher nichts dergleichen gehört. Sie können bei ihren Familien unterschlüpfen. Oder sie können sich vom religiösen Leben abwenden und heiraten, Kinder bekommen.«
    »Und was ist mit den Klöstern selbst?«, fragte Schwester Winifred weiter. »Was wird aus ihnen?«
    »Im Allgemeinen gehen sie in den Besitz von Höflingen über, die die Gunst des Königs oder Cromwells genießen«, antwortete er. »Manche Klöster werden ohne größere Veränderungen in Privathäuser umgewandelt; andere werden von den neuen Eigentümern abgerissen. Die Gebäude werden Stein um Stein abgetragen; was an Gold, Silber und Edelsteinen vorhanden ist, wird eingeschmolzen; die Tapisserien, Bildhauereien, Bücher, ja selbst die Trachten werden zu Geld gemacht.«
    Schwester Winifreds Lippen bebten, aber sie sah uns beiden tapfer in die Augen. »Danke dir, Bruder. Und jetzt können wir die Musikstücke üben.«

Kapitel 22
    Bei der letzten Mahlzeit des Tages im Refektorium schnappte ich Teile der Gespräche auf, die die Schwestern führten. Ich sah ihren Gesichtern den Unmut über das Festmahl an, das in drei Tagen stattfinden sollte.
    Neben mir am Tisch der Novizinnen saß Schwester Christina, die ihre Suppe kaum angerührt hatte. Ich hatte das Gefühl, sie beschützen zu müssen; vermutlich schämte sie sich der Bitte ihres Vaters. Ich wusste, dass viele Novizinnen und auch Nonnen mit den Wünschen ihrer Eltern zu kämpfen hatten. Die Eltern wollen in unserem Leben weiterhin eine Rolle spielen, obwohl wir der Welt entsagt haben. Keine von uns wollte sie

Weitere Kostenlose Bücher