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Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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der Gefangenen, nach dem er eine halbe Ewigkeit hatte surfen müssen, bis er den Klingelton gefunden hatte, sprang auch der Vibrationsalarm an und hämmerte gegen sein Brustbein. Er hatte mal gelesen, dass sich Handy und Herzschrittmacher nicht vertrugen — jetzt wusste er warum.
    Amadeo fingerte das Gerät aus der Hemdtasche. »Ja?«
    »Sie verdammter Höllenhund!«, brüllte Helmbrecht. »Haben Sie noch alle Deckel auf dem Glas?«
    Amadeo hielt das Telefon zwanzig Zentimeter vom Ohr weg. Der Professor konnte ziemlich laut werden. Das Bild mit den Deckeln kannte er noch nicht, und irgendwie war es auch nicht ganz einleuchtend. Wie viele Deckel konnte so ein Glas schon haben? Er schluckte. Hatte er etwa die falsche Datei verschickt? Seine Gedanken rasten. Da waren noch die Fotos von einem sehr galanten Rokokofolianten, den er kürzlich bearbeitet hatte, eine Art französisches Kamasutra aus dem achtzehnten Jahrhundert. Das konnte man natürlich missverstehen. Abgesehen davon: Hatte Helmbrecht nicht ein schwaches Herz?
    »Was haben Sie...«, begann er.
    »Wie können Sie so etwas verschicken!«, donnerte der Professor los. »Haben Sie denn gar kein Gefühl für Anstand?«
    »Es ist nicht das, wonach es aussieht«, verteidigte sich Amadeo.
    »Haben Sie auch nur den Hauch, ich wiederhole, den blassen Hauch einer Ahnung, was Sie da in der Hand haben?« Helmbrechts Stimme war plötzlich so leise und sein Atem dabei so heftig, dass Amadeo vollends verwirrt war.
    »Sie haben die Aufnahme der Handschrift bekommen?«, fragte er verunsichert.
    »Natürlich. Was hatten Sie mir geschickt? Eine Geburtstagstorte?«
    »Das würde ich niemals wagen bei Ihrem angegriffenen Herzen.« Amadeo grinste erleichtert. Keine Frage: Helmbrecht ging es bestens.
    »Sparen Sie sich Ihren armseligen Humor«, dröhnte das Handy. »Wie kann ein Mann der Wissenschaft sich nur an einem historischen Gegenstand von einer solchen Bedeutung vergreifen!«
    »Ich dachte, das würden Sie nicht bemerken«, murmelte Amadeo. »Ich wollte, dass Sie unvoreingenommen an die Sache herangehen. Ich weiß, es ist ein ungewöhnlicher Fund. Wenn ich da ein wenig ungewöhnliche Methoden...«
    »Ungewöhnlich?« Amadeo glaubte den Luftzug zu spüren, den das Gebrüll aus der Hörmuschel auslöste. »Womit haben Sie daran herumgeschnippelt? Mit einem Schweizer Armeemesser? An einer zweitausend Jahre alten Handschrift!«
    »Sie ist echt?« Amadeo spürte, wie ihm ein Schauer über den Rücken lief.
    Helmbrecht zögerte. »Ich tendiere dazu. Jedenfalls nach dem, was Sie mir zu sehen vergönnen. So viel sich eben aus einem ›en arche en ho logos‹ sagen lässt. Das ist höchstens zu perfekt. Die Schriftformen sprechen eine deutliche Sprache, selbst bei dieser hundsmiserablen Auflösung. Zum Papyrus sage ich nichts, bevor ich das Original gesehen habe. Ist Ihnen klar, dass das der Autograph sein kann? Wer das geschrieben hat, der hat nicht sein Leben lang griechisch geschrieben. Johannes Evangelista war ein Fischer vom See Genezareth. Wir hätten hier ein unmittelbares Lebenszeugnis vom Lieblingsjünger Jesu Christi! Immer vorausgesetzt, er ist tatsächlich der Autor des Evangeliums, das seinen Namen trägt.«
    »Ich glaube schon«, flüsterte Amadeo. Ihm wurde sofort wieder schlecht, wenn er überlegte, was das alles bedeutete.
    »Da gibt es so viele Meinungen, wie es Gelehrte gibt«, wischte der Professor die Worte beiseite. »Doch dieses Manuskript könnte... nicht auszudenken! Wenn das echt ist, ist es — selbst wenn es sich nicht um das Original des Johannes handelt — auf jeden Fall die älteste Handschrift eines Evangeliums, die wir besitzen.«
    »Ich fürchte, nein«, murmelte der Restaurator.
    »Nein?« Helmbrecht stutzte. »Was soll das heißen? Ist das hier ein Intelligenztest? Wollen Sie den Grad meines geistigen Verfalls prüfen?«
    »Nein.« Amadeo holte tief Luft. »Ich wollte nur sagen, dass... Es ist nicht das Evangelium.«
    »En arche en ho logos« , wiederholte der Professor ungehalten. »Das ist der Beginn des Johannesevangeliums. Sie haben doch Theologie studiert, oder?«
    »Eine Zeit lang«, erwiderte Amadeo. »Ich kenne das Evangelium. Und das geht... es geht anders weiter.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Der Text. Ich habe ihn im Kopf.« Wieder holte er Luft. »Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war...«
    »Na also«, unterbrach ihn Helmbrecht. »Die Lutherbibel im Kopf, dass es eine Freude ist. Wo ist das Problem?

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