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Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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Hand wieder ans Fenster trat, war das Liebespaar verschwunden.

Rom, 2. September
X
    Ein neuer Tag in der erstaunlichsten Stadt des Universums: Rom.
    Wo zur Hölle hatte Amadeo das nur gelesen? Seit er um kurz nach acht vor dem Mietshaus in Trastevere in seinen Wagen gestiegen war, war er am Grübeln. Das war nur gut für sein Seelenheil, denn es lenkte vom Verkehr ab, der heute früh wieder jedes erträgliche Maß sprengte. Fluchend und hupend suchte er sich seinen Weg durch schätzungsweise achtzigtausend andere fluchende und hupende Autofahrer, die alle Fiumicino zum Ziel zu haben schienen, den Aeroporto Leonardo da Vinci jenseits der westlichen Stadtgrenze Roms.
    Irgendein Idiot zwei oder drei Autos vor ihm drückte ohne erkennbaren Grund wieder und wieder auf die Hupe. Schimpfend gab Amadeo seinerseits Signal. Unglaublich! So viele Menschen, und keiner konnte vernünftig Auto fahren. Amadeo erspähte eine Lücke auf der rechten Spur. Mindestens zwei Autolängen Platz. Geschickt fädelte er ein und zog rechts an dem Wagen vor ihm vorbei, dann an noch einem. Jetzt war links wieder Platz. Ha! Da war der Mensch mit der Dauerhupe: ein Mazda, natürlich. Der Fahrer war scheintot, Glasbausteine auf der Nase, so dick wie Amadeos Frontscheibe, und der Wagen war nicht viel jünger. Der Restaurator wartete auf seine Gelegenheit. Der Fahrer vor dem Scheintoten gab Gas. Amadeo riss das Steuer scharf nach links, fädelte wieder auf die Mittelspur, seine hintere Stoßstange zwei Handbreit vor dem Kühler des moribunden Mazda. Ein kleiner Sieg, immerhin.
    Was war nur schon wieder los heute Morgen? Um diese Uhrzeit hatte der Verkehr in die Stadt hineinzufließen, nicht hinaus. Aber hier floss sowieso nichts, in keiner Richtung.
    Nach lächerlichen anderthalb Stunden hatte er dreißig Kilometer und die Stadtgrenze hinter sich. Von da an ging es flotter voran, bis er auf den Stau stieß, der sich vor den Parkdecks gebildet hatte. Um Punkt zehn Uhr zehn stand er in der Ankunftshalle und wartete auf Helmbrecht. Er brauchte sich keine Sorgen zu machen, dass der Professor ihn übersehen würde: Helmbrecht würde ihn riechen! Diese Fahrt war die Hölle gewesen.
    Amadeo spähte hinüber zur Schlange der Fluggäste, die brav an dem mit Sicherheitsglas gepanzerten Schalter warteten, bis die carabinieri sie einen nach dem anderen mit gelangweilter Miene heranwinkten. Mit einem Gerät, das aussah wie eine überdimensionierte Lupe, fuhren sie einmal an der Vorderseite, einmal an der Rückseite eines jeden Passagiers auf und wieder ab. Das war die Prozedur.
    Jetzt war eine fünfköpfige italienische Familie an der Reihe. Die Kinder quengelten bereits, doch das finstere Gesicht einer Beamtin, der die schwarze Uniform mindestens zwei Nummern zu klein zu sein schien, ließ sie schließlich verstummen. Die Familie durfte passieren.
    Dahinter kam Helmbrecht, und Amadeo erschrak, als er ihn sah. Der Professor ging gebeugt, mit kurzen, aber festen Schritten, und er stützte sich auf einen Stock. Sein Haar war schneeweiß wie immer — das würde sich wohl kaum noch ändern, unter den Augen und in den Mundwinkeln hatten sich allerdings Falten eingegraben, die früher nicht da gewesen waren. Amadeo hatte den Mann, der in Weimar so etwas wie ein Mentor für ihn geworden war, vielleicht zweieinhalb Jahre nicht gesehen, doch er war um mindestens ein Jahrzehnt gealtert.
    Der Professor hatte ihn noch nicht entdeckt. Die Beamtin sprach ihn an, ohne dass Amadeo ihre Worte verstehen konnte.
    »Natürlich dürfen Sie das, bella ragazza , natürlich!«
    Die Uniformierte erwiderte etwas, und auf ihrer Miene zeigte sich nicht die Spur eines Lächelns.
    »Nun haben Sie sich mal nicht so«, sagte Helmbrecht. »Seien Sie lieber froh, wenn Ihnen ein alter Mann ein Kompliment macht.«
    Wenigstens der männliche carabiniere zwei Schritte hinter der Frau grinste jetzt.
    Die Beamtin vollzog ihre Prozedur an Helmbrecht sorgfältiger, als es notwendig gewesen wäre, danach nickte sie mit verkniffenem Gesicht und ließ ihn passieren.
    Amadeo ging ihm entgegen. Sofort hellte sich das Gesicht des alten Mannes auf.
    »Buon giorno , Amadeo! Pünktlich wie immer! Das müssen Ihre deutschen Vorfahren sein!«
    »Buon giorno« , erwiderte Amadeo lächelnd. Überrascht ließ er sich von Helmbrecht in die Arme schließen und erschrak noch einmal. Der Professor war wirklich alt geworden.
    »Hatten Sie Schwierigkeiten da drüben?«, fragte er.
    »Ach, Schwierigkeiten.« Helmbrecht warf

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