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Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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einen Blick zurück. »Dabei heißt es immer, schwarz macht schlank«, sagte er laut.
    Die Beamtin hörte es nicht oder hatte beschlossen, es nicht zu hören.
    »Haben Sie schon gefrühstückt?«, fragte Amadeo rasch.
    »Ich hatte ein Frühstück in München«, überlegte der Ältere. »Dann noch einmal etwas irgendwo über den Alpen. Fragen Sie mich nicht, was es war. Vielleicht könnten wir einen caffè nehmen, auf dem Wege nach Rom?«
    Amadeo grinste. »Das ist das Erfreulichste, was ich den ganzen Morgen gehört habe.«
XI
    »Natürlich kann es eine Fälschung sein!« Helmbrecht kippte das vierte Päckchen Zucker in seinen Espresso und rührte beherzt um. Es war seine zweite Tasse. »Die Geschichte der Paläographie ist eine Geschichte der Fälschungen. Nur gibt es eben Dinge, die kann man nicht nachmachen.« Er deutete auf die gesättigte Zuckerlösung in seiner Tasse. »Echten italienischen caffè!« Er schlürfte das erste Schlückchen. »Meine Frau würde schimpfen«, grübelte er. »Sie hat heute Nacht schon genug geschimpft.«
    »Sie sehen etwas... erschöpft aus«, sagte Amadeo vorsichtig.
    Der Professor machte eine wegwerfende Handbewegung: »Das Wichtigste im Leben ist, sich auf das Wichtigste zu konzentrieren, Amadeo. Das hier ist wichtig, Fälschung hin oder her. Wir haben da«, er senkte die Stimme, »Sie haben da eine einzigartige Sache ausgegraben. Selbst wenn es eine Fälschung ist, so ist es eine uralte Fälschung, daran habe ich kaum noch Zweifel. Schon das wäre eine Sensation.«
    »Warum sollte jemand...«
    »Genau!« Helmbrecht schlug mit der Handfläche auf den Tisch. »Genau das frage ich mich auch!« Der caffè schien bereits zu wirken. Musste am Zucker liegen. »Cui bono . Wem nützt eine Fälschung? Bei Fälschungen müssen wir mit kriminalistischem Spürsinn kombinieren. Manchmal ist die Sache ganz klar, denken Sie nur an die Constantinische Schenkung.«
    »Die Urkunde, in der Kaiser Constantin den Päpsten die Herrschaft über die Hälfte seines Reiches überlassen hat«, erinnerte sich Amadeo.
    »Diese angebliche Urkunde des Kaisers«, Helmbrecht betonte das Wort »angeblich« wie die Pointe in einem zweideutigen Witz, »diese angebliche Urkunde Constantins des Großen stammt vermutlich aus dem zehnten Jahrhundert, als Constantin schon sechshundert Jahre tot war. Für die Päpste war sie ein wichtiges Argument, um ihre Ansprüche auf das Patrimonium Petri zu untermauern. Das war fast noch großzügig! Anstelle des gesamten weströmischen Reiches nur ein Landstreifen quer durch Italien. Natürlich voller reicher und mächtiger Städte, aber für die römisch-deutschen Kaiser war das unterm Strich ein Schnäppchen, wenn sie dafür den ganzen Rest behalten durften.«
    »Da war die Sache klar«, stimmte Amadeo zu.
    »Das ist sie ganz häufig«, erwiderte Helmbrecht. »Rede ich eigentlich zu laut?«, fragte er dann leise.
    Amadeo sah sich um. »Glauben Sie, es fühlt sich jemand gestört?«
    Die kleine caffèbar in Monteverde, unterhalb der Villa Sciarra und knapp außerhalb der Mauern Aurelians, war um diese Zeit am späten Vormittag fast leer. Zwei Tische entfernt saßen einige Männer von der Sorte, bei der man sich fragte, was sie eigentlich taten, wenn sie nicht über ihren caffè coretti und ihren Spielkarten brüteten. Ein Stück weiter hatte ein junges Mädchen Platz genommen. Wie Amadeo feststellte, war ihr Rock auffallend kurz. Das war vermutlich auch der Jahreszeit zu verdanken. Der nicht mehr ganz so junge Mann, der seine Finger in die ihren gefaltet hatte, trug einen gedeckten Anzug. Dieser war ganz sicher seiner gut gefüllten Brieftasche zu verdanken. Jedenfalls hatten die beiden nur Augen füreinander. Ihnen wären vermutlich auch die Wandalen, die Goten oder die Pilgerströme zu Giovanni Paolos Tod entgangen — oder was auch immer die Stadt über die Jahrhunderte heimgesucht hatte. Schließlich gab es noch ein Paar gepflegter Hände, die an einem Ecktisch hinter einem Corriere della Sera hervorschauten und zu denen unter dem Tisch ein Paar ebenso gepflegter Schuhe gehörte. Amadeo entdeckte niemanden, der einen irgendwie gestörten Eindruck machte.
    »Wir sind hier nicht weit vom Vatikan. Da ist man sonderbare Menschen und sonderbare Gespräche gewohnt.«
    Helmbrecht sah in seine Tasse. »Schon wieder leer. Wie kommt das? Wo war ich noch?«
    »Cui bono« , half Amadeo.
    »Wie? Ach, die Fälschungen. Kaum verwunderlich, dass man da im großen Stil eingestiegen ist, oder?

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