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Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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Liefert der Papyrus eine Variante? Darauf hat die Forschung nur gewartet! Endlich erfahren wir, was in diesem Evangelium wirklich von Johannes stammt!«
    »Es ist nicht das Evangelium!«, brüllte Amadeo unvermittelt. Seine Geduld war am Ende. »Es ist nicht das Johannesevangelium, es beginnt nur genauso.« Er stieß den Atem aus. »Ich mache noch ein paar Fotos, dann können Sie gleich selbst sehen.«
    »Morgen früh«, verbesserte Helmbrecht.
    »Morgen früh? Sie können jetzt schlafen?«
    Der Professor stieß ein Geräusch aus, das Amadeo nicht recht einordnen konnte. »Schlafen? Wo denken Sie hin? Mein Taxi ist in einer halben Stunde da, und ich muss noch Wäsche zum Wechseln einpacken. Sie sind bitte morgen früh um zehn Uhr fünf in Fiumicino. Der Flug geht von München. LH 3856.«
    »Wie...«
    »Recherche, mein lieber Amadeo. Das Erste, was ein Wissenschaftler lernen muss, und das Wichtigste dazu. Sechs Uhr zwanzig ab Erfurt. Acht Uhr fünfunddreißig geht der Anschlussflug in München. Jetzt muss ich mir nur noch etwas für meine Frau einfallen lassen.«
    Ein kurzes Knacken, dann war das Gespräch beendet.
IX
    Amadeo starrte das telefonino an.
    Helmbrecht.
    Die Gedanken in seinem Kopf schlugen Purzelbäume.
    Helmbrecht kam nach Rom. Professor Ingolf Helmbrecht vom Lehrstuhl für Paläographie hielt die Handschrift für echt oder ging zumindest mit einiger Wahrscheinlichkeit davon aus. Ein Originalzeugnis des Evangelisten Johannes! Was waren dagegen die Schriftrollen von Qumran? Ein Witz! Das hier war das älteste erhaltene Dokument des Christentums! Und er, Amadeo Fanelli, er hatte es entdeckt!
    Jetzt wird alles anders, dachte er. Nach so einer Entdeckung kann man sich nicht ins stille Kämmerlein zurückziehen, glücklich und zufrieden mit ein bisschen akademischem Lorbeer. Nein, nicht am Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Die Menschen waren neugierig, das ganze Land, die ganze Welt. Berichte in Oggi: »Amadeo Fanelli — ein forscher Forscher mit Esprit«, Talkshowauftritte, ein Buch. Ja, ein Buch! Keine wissenschaftliche Veröffentlichung, ach was! »Wie ich Christus auf die Schliche kam.« Wie klang das? Amadeo trat in den Arbeitsraum und ließ den Blick über die Schreibtische schweifen. Mit besonderer Zärtlichkeit haftete er an der Espressomaschine.
    »Ach, ich werde das vermissen«, seufzte der Restaurator. Aber vielleicht war der capo ja bereit, sich von der Maschine zu trennen. Bei Giorgio di Tomasi war das sicher nur eine Frage der richtigen Summe. Und die würde bald keine große Rolle mehr spielen.
    Amadeo machte sich noch einen caffè — diesmal einen einfachen Espresso — und öffnete eines der Fenster nach draußen, während das Mahlwerk vernehmlich zu arbeiten begann. In dem Gebäude, das die officina beherbergte, waren keine Wohnungen untergebracht. Das Mahlgeräusch würde niemanden stören, und der Verkehrslärm, der auch nach Mitternacht von der Viale Aventino herüberscholl, übertönte es ohnehin.
    Ein Stück entfernt wurde die Nacht von Lichtern erhellt, die rund um die Piazza di Porta San Paolo die ganze Nacht brannten. Dort, am ehemals südlichsten Tor der Aurelianischen Mauern und der antiken Pyramide des Cestius herrschte Trubel rund um die Uhr. Die Via Oddone lag ruhiger, ein Stück auf den Aventin zu, auf das Tiberufer und die Kirche von Santa Sabina. Ein kleiner Park befand sich dazwischen, der in warmen Sommernächten vor allem Liebespaare anzog. Amadeo seufzte.
    Nachdenklich beobachtete er ein Pärchen, das auf der gegenüberliegenden Straßenseite unter den Bäumen lehnte. Er blickte kurz nach links und rechts die Straße hinab, denn die Nachtstreife der polizia machte ab und an Routinekontrollen im Park, der angeblich auch als Treffpunkt der Drogenszene galt. Amadeo ging allerdings davon aus, dass die Polizisten eher an den Liebespaaren Interesse hatten. Die beiden dort drüben waren allerdings ganz brav und standen Seite an Seite, ohne einander auch nur zu berühren. Vielleicht hatten sie Streit gehabt. Unverwandt sahen sie über die Straße. Seltsam: Fast kam es ihm vor, als blickten sie zu ihm hinauf.
    Unsinn! Unwillig wischte er den Gedanken beiseite. Er hatte schon genug Paranoia hinter sich für einen Abend. Die Fenster der officina waren die einzigen in dem großen Bürogebäude, hinter denen noch Licht brannte, das war alles.
    Ein leises Zischen lenkte ihn ab. Der caffè war fertig. Mit einem Lächeln nahm er den ersten Schluck. Als er mit der Tasse in der

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