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Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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wir Iskarioth nannten, schon ins Herz gegeben, ihn zu verraten. Wahrlich: Der Teufel hatte ihm dies ins Herz gegeben! Genau so habe ich es geschrieben, als ich von seinem Leben berichtete. Doch das ist nicht die ganze Wahrheit. Andere haben von jenem anderen Tag berichtet, lange zuvor, da Jesus uns zum ersten Mal von seinem bevorstehenden Leiden gekündet hatte. Wie Petrus ihn damals beiseitegenommen und ihm gewehrt hatte, dass er sich nicht opfern möge für die Menschen. Und wie Jesus den Petrus angefahren hatte: » Weg mit dir, Satan! Denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist!«
    Dies aber verschwieg ich in meiner Erzählung, damit dem Volke nicht offenbar werde, was es bedeutete, wenn ich schrieb: »Der Teufel hat ihm dies ins Herz gegeben.«
    Nun aber will ich offenbaren, wie wir bei jenem letzten Mahle beisammensaßen und Jesus sprach: »Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch wird mich verraten. «
    Da gewahrte ich, wie sie einander anblickten, die elf, mit ihren schreckensbleichen Gesichtern. Selbst Jakobus, mein Bruder Jakobus, war unter ihnen, und erst später wurde mir bekannt, mit welcher Mühsal er verhindert hatte, dass ich das Schicksal des Rabbi teilte und an seiner Seite gestorben wäre. Seliger Tod, der mir nicht vergönnt war!
    Und sie sahen einander an, und Petrus wandte sich an mich mit bebender Stimme und flehte mich an: Ich möge Jesus fragen, von wem er denn spreche. Denn so entschlossen er gleich all den anderen war, dem Worte des Saulus zu folgen und Jesus seinen Feinden auszuliefern, so wenig ertrug er's, dass Jesus dies offenbar wurde. Er wollte es wissen und wagte doch die Frage nicht .
    Und so fragte ich: »Herr, welcher ist's?« Und meine Wange lag an seiner Brust, denn ich ertrug es nicht länger, in die Gesichter jener zu blicken, die ihn verrieten, einer mit dem anderen. Und ich sog den Duft seines Leibes ein, weil ich doch wusste, dass dies vielleicht die letzte Stunde war, da mir das vergönnt sein würde. Jesus aber erwiderte: »Der ist's, dem ich den Bissen Brot eintauche und gebe.« Das aber war der Judas Iskarioth .
    Da hob ich den Blick und gewahrte, wie Erleichterung auf die Miene des Petrus trat. Jesus aber sprach zu dem Judas Iskarioth: » Was du tun musst, das tu bald.« Da die anderen gehört hatten, dass er nur jenen, den Judas, einen Verräter genannt hatte, verstanden sie nicht, wozu er ihm das sagte. Judas aber, da er nun den Bissen genommen hatte, erhob sich in Eile und ging sogleich hinaus. Und es war Nacht .
    Da aber sprach Jesus: »Liebe Kinder, nun bin ich nur noch kurze Zeit bei euch.« Und seine Hand legte sich in die meine, als er sprach: »Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr einander lieben sollt, wie ich euch geliebt habe; so werdet ihr einander liebhaben. Daran, dass ihr Liebe zueinander habt, wird jeder erkennen, dass ihr meine Jünger seid.«
    Ich wusste aber, dass er dies sagte, weil er in Sorge war um mich, der ich der Einzige war, der ihre Werke kannte und dennoch nicht teilhatte an ihnen. Und er war in Furcht, sie würden mir doch noch ans Leben gehen, wenn er nicht mehr unter uns weilte. Indem er uns allen aber auferlegte, einander zu lieben, wenn wir denn seine Jünger heißen wollten, hinderte er sie, dies Werk zu vollenden .
    Mich aber hinderte er an der Wahrheit bis zu dieser Stunde — denn einzig die Liebe ist stärker noch als die Wahrheit .
    Doch die wahre Liebe ist nicht möglich ohne die Liebe zur Wahrheit, und deshalb ist nun die Stunde gekommen, diese Dinge zu berichten. Nun, da keiner der anderen mehr am Leben ist, um dessentwillen ich die Wahrheit verschweigen sollte — um der Liebe willen .
    Petrus aber verstand nichts von diesen Dingen, sondern er hörte nur, dass Jesus wiederum gesagt hatte, er werde nur noch kurze Zeit bei uns sein. Und er fragte ihn: »Herr, warum kann ich dir diesmal nicht folgen? Ich will mein Leben für dich lassen!«
    Jesus sah ihn an, und hart waren seine Worte, seine Augen aber voll der Güte, der Liebe und Zärtlichkeit. Und so sprach er zu jenem, dem er seine Kirche anvertraut hatte. Zu dem, der ihn verraten hatte, gleich allen anderen: »Du willst dein Leben für mich lassen? Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Der Hahn wird nicht krähen, bis du mich dreimal verleugnet hast.«
    Denn wenn er mich auch hinderte, den Verrat offenbar werden zu lassen um seiner Kirche und seiner Liebe willen, so wollte er dem Petrus doch ein Zeichen geben, hin Zeichen, dass er erkannt hatte

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