Die letzte Offenbarung
echte Polizisten. Nur warum sollten sie es nötig haben, mühsam ihre Fährte zu verfolgen? Helmbrecht war sowieso in ihrer Hand. Die Männer in den dunklen Anzügen wussten, dass sie unterwegs nach Oxford waren.
»Ich bezahle das.« Rebecca zupfte sich die Haare zurecht. Es gab kleine, aber feine Unterschiede zwischen einer vom Coiffeur zerzausten Mähne und einer, die einfach nur so zerzaust war. Nur dass Amadeo diese Unterschiede nicht erkennen konnte. Das war nur Frauen gegeben.
»Das kann ich unmöglich annehmen«, widersprach er.
Sie antwortete nicht einmal.
Amadeo schluckte, als er die Preise sah. Er trat an einen Ständer, an dem sie sich gerade noch im Rahmen bewegten, aber Rebecca war bereits an eine Auswahl ganz anderer Kategorie getreten. Sie sah ihn kurz an, fand auf Anhieb seine Größe und reichte ihm drei Anzüge: schwarz, anthrazit, Nadelstreifen.
»Probieren Sie das hier an«, sagte sie. »Ich suche ein passendes Hemd aus.«
Gehorsam verschwand er in der Kabine. Er wählte das Nadelstreifenmodell, in dem er sich noch am wenigsten verkleidet vorkam. Als er wieder heraustrat, war Rebecca verschwunden, stattdessen erwartete ihn eine flachsblonde Verkäuferin mit Überbiss.
»Dieser soll es sein? Eine hervorragende Wahl. — Ihre Tochter hat wirklich einen guten Geschmack«, verriet sie ihm. »Sie probiert gerade selbst etwas an.«
Ein einziger Satz reichte manchmal aus, um einen ganzen Tag zu verderben.
XXXVIII
Rebecca sah umwerfend aus in dem Nadelstreifenkostüm, das sie ahnungsvoll auf seinen Anzug abgestimmt hatte. Der gerade geschnittene Rock endete knapp unter dem Knie — eine Länge, die nicht viele Frauen tragen konnten. Rebecca gehörte jedoch zu dieser seltenen Spezies. Dazu hatte sie eine schlichte weiße Bluse gewählt. Sie sah... eben umwerfend aus.
Kurz darauf fanden sie am Rande der Innenstadt einen Parkplatz und stürzten sich in das Labyrinth der Colleges und balls . Amadeo musste zugeben, dass sie sich in ihrer neu erworbenen Garderobe hervorragend einfügten. In Oxford schien es nur zwei Sorten von Menschen zu geben: immatrikulierte Studenten, die sich ausschließlich in den Farben ihrer Krawatten unterschieden, welche die Zugehörigkeit zu den einzelnen Colleges zum Ausdruck brachten, und Touristen. Er war froh, dass sie mit der ersten Spezies bedeutend mehr Ähnlichkeit hatten.
Die Radcliffe Camera war ein hoher Rundbau aus dem achtzehnten Jahrhundert, der aus einer weitläufigen Rasenfläche inmitten eines Meeres von Erkern, Türmchen und historisierenden Zinnen aufragte, das Oxford war. Im Hintergrund erhob sich der gewaltige Bau der eigentlichen Bodleian Library , gegenüber die Universitätskirche St. Mary's, rechts und links zwei der unzähligen Colleges. Ein geschlossenes Ensemble, wie es Amadeo sonst noch nirgendwo in der akademischen Welt zu Gesicht bekommen hatte.
Es war ein warmer, sonniger Nachmittag — vor allem für englische Verhältnisse, und sogar Amadeos Kopfschmerzen ließen allmählich nach. Nur müde war er. Der Restaurator musste an sein eigenes Semester in Oxford zurückdenken, als er die Studenten betrachtete. Diese Gesichter waren von einer ganz besonderen Art, die sich auch nicht verändert hatte. Plappernd saß eine Gruppe von Studentinnen auf den Stufen und verfütterte trockene Brötchen an ein Heer von Tauben, das aufgeregt gurrend den Boden absuchte. Irgendwie sahen sie alle gleich aus — die Mädchen. Die Tauben sowieso. Flachsblonde Haare, muntere, blasse Augen, knielange Röcke von identischem Schnitt.
Rebecca stieß ihm in die Seite, und ihre grünen Augen funkelten.
Meine Gedanken gehören immer noch mir, dachte er grimmig. Doch dann sah er auf die Uhr: zwei Minuten vor zwei. Dr. Sheldon wartete sicher schon.
»Wie erkennen wir ihn?«, fragte er, während sie die Stufen hinaufstiegen.
»Keine Sorge«, sagte eine Stimme auf Deutsch, jedoch mit deutlichem englischen Akzent. »Ich erkenne Sie.« Ein bärtiger Mann um die vierzig streckte zuerst ihm, dann Rebecca die Hand entgegen. »Marcus Sheldon vom Lehrstuhl für Altnordische Philologie.«
Was hat jemand, der altnordische Sprachen lehrt, mit Augustinus von Hippo zu tun?, fragte sich Amadeo.
Rebecca lächelte den Bärtigen an, und ganz unvermutet verspürte Amadeo einen Stich der Eifersucht.
»Wie haben Sie das denn angestellt?«, fragte die rothaarige Frau. »Haben Sie eine genaue Beschreibung von uns bekommen? Rebecca Steinmann und Amadeo Fanelli.«
»Sie haben sich solche
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