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Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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ohne jeden Zweifel eine Kopie.«
    Rebecca schob ihren Stuhl zurück, dass er über den Boden quietschte. Von irgendwoher ertönte ein »Psst!«.
    Rebecca stapfte mit finsterer Miene zu Sheldon hinüber. Wieder sah sie aus wie eine keltische Kriegsgöttin. Sie sprach leise, doch der Tonfall war eindeutig.
    Auf Sheldons Miene stand ehrliche Überraschung, als er sich erhob und eilig auf Amadeo zuging. Seine Unterlagen ließ er einfach liegen. »Das kann nicht sein«, murmelte er, und sein Bart zitterte aufgeregt.
    Stumm wies Amadeo auf den Stempel, dann auf den kleinen, eingedruckten Vermerk, der das Buch als Kopie auswies.
    »Einen Augenblick, bitte«, bat der Wissenschaftler.
    Er nahm das Buch, ohne es in den Karton zurückzupacken, und ging eilig hinüber zur Ausleihtheke. Die Dame sprach gerade mit einer Studentin, doch Sheldon räusperte sich vernehmlich, woraufhin sie ihn mit zusammengezogenen Brauen ansah. Der Wissenschaftler sprach heftig auf sie ein, klopfte auf den Deckel des Codex und wies auf seine Begleiter. Irritiert öffnete die Frau die Handschrift und blätterte an den Anfang, dann wandte sie sich wortlos ab und tippte etwas in ihre Computertastatur.
    Zwei Minuten später kam Sheldon zu ihnen zurück. Sein rechtes Augenlid hatte er nicht mehr unter Kontrolle. »Ich weiß nicht, wie das passieren konnte«, sagte er. »Es tut mir leid.«
    »Was ist passiert?«, fragte Rebecca scharf.
    Sheldon zog die Schultern ein, und Amadeo musste an einen Holzschnitt denken, den er einmal gesehen hatte: Johann Hus nimmt vor dem Baseler Konzil den Urteilsspruch entgegen — Tod auf dem Scheiterhaufen. Die Ähnlichkeit war beachtlich.
    »Der Augustinus ist nicht hier.« Sheldon blickte zu Boden. »Eine... Ausstellung im British Museum. Sie ist schon länger angesetzt, aber wie es aussieht, brauchten sie die Exponate sofort. Der Augustinus gehört anscheinend dazu und ist heute Vormittag abgeholt worden. Verliehene Bände ersetzen wir stets durch Faksimiles. Ich«, er schluckte, »hätte niemals...«
    »Er ist im British Museum?«, fragte Rebecca. »In London?«
    Der Bärtige nickte. »Ich rufe sofort einen meiner Kollegen an«, versprach er und zückte das Handy.
    Rebecca sah auf die Uhr und nickte unmerklich. Amadeo tat automatisch dasselbe. Es war zehn nach zwei. Den Stadtverkehr eingerechnet, konnten sie um vier, halb fünf am Museum sein.
    »Rufen Sie an!«, befahl Rebecca und war auch schon auf dem Weg zum Ausgang.
    Amadeo konnte den beiden nur entsetzt folgen. So sprach man nicht mit einem Wissenschaftler, der freundliche kollegiale Hilfe leistete — auch wenn er gerade ziemlich daneben gegriffen hatte. Wer zur Hölle war diese Frau?
    »Wir machen uns sofort wieder auf den Weg«, sagte sie, als die beiden ins Freie traten. »An wen sollen wir uns wenden?«
    Die Dinge, die sich in den folgenden Sekunden ereigneten, würde Amadeo niemals ganz begreifen können, sooft er sie später auch vor seinem geistigen Auge Revue passieren ließ: Jedes Mal sagte sein Verstand, dass sie sich nicht in dieser Reihenfolge zugetragen haben konnten .
    Dennoch geschah es in genau dieser Weise.
    Die Tauben unten auf der Rasenfläche flogen auf. Es waren beschauliche Oxforder Tauben, und nichts auf der Welt konnte sie so schnell aufschrecken. Amadeo sah, dass Sheldon überrascht aufblickte. Hatte auch er nur die Tauben gesehen? Oder etwas ganz anderes? Der Restaurator sollte es nie erfahren.
    Sag es nicht Carla! Die Erinnerung an seinen Traum sprang ihn an wie eine knurrende Bestie. Die Taube! Die Taube auf Niccolosis Hand! Amadeo dachte nicht nach. Er vermochte es sich später nicht zu erklären, aber er konnte in diesem Augenblick nicht nachgedacht haben.
    Rebecca sah die Tauben ebenfalls, doch sie wandte sich sofort wieder Sheldon zu und sagte etwas. Amadeo hörte es nicht, unvermittelt warf er sich nach vorn, auf Rebecca, und sah, wie die grünen Augen sich erstaunt weiteten. Dann schlossen sich seine Arme um sie. Sie war nicht darauf gefasst, verlor das Gleichgewicht und versuchte einen Schritt zur Seite. Doch da waren die Stufen, und sie rutschte ab. Die Dockers hatte sie im Kaufhaus gegen elegante Pumps getauscht. Rebeccas Bein knickte weg, und sie stürzte, stürzte auf die Stufen, Amadeo mit ihr.
    Er traf mit dem Rücken zuerst auf, und der Schmerz trieb ihm die Luft aus den Lungen. Sein Hinterkopf schlug gegen den Stein, und für einen Moment wurde ihm schwarz vor Augen. Rebecca ließ er nicht los, er konnte sie gar nicht

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