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Die letzte Offenbarung

Die letzte Offenbarung

Titel: Die letzte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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loslassen.
    Im selben Augenblick ertönte der erste Knall. Dann der zweite. Dann kamen die Schreie. Ein dritter Schuss, ein vierter. Die Studenten sprangen von den Stufen auf. Chaos, weitere Schüsse, Kreischen, Rufe, Menschen, die versuchten, sich in Sicherheit zu bringen, alles wild durcheinander. Ein merkwürdiger, gurgelnder Laut, doch Amadeo wusste nicht, von woher.
    Etwas Weiches, Schweres stürzte auf seinen Unterleib und drückte ihn zusätzlich gegen die Stufen. Die Schreie hielten an, wurden lauter. Wortfetzen. Die Schüsse... jetzt hatten sie aufgehört.
    »Verdammt, was soll das!« Rebecca versuchte sich aus seiner Umklammerung zu befreien. Sie war stark, stärker als er, im Augenblick bestimmt. Meine Rippen, dachte er. Er hatte sich irgendetwas gebrochen.
    Endlich gelang es Rebecca, sich ihm zu entwinden. »Sheldon!« Ihre Stimme bekam einen anderen Klang. »Sheldon!«
    Amadeo stützte sich auf den Armen auf und wuchtete die fremde Last von seinem Körper. Sein Rücken und seine Schultern brannten wie Feuer, sein Schädel pochte.
    »Sheldon!«
    Der bärtige Mann lag halb auf der Seite, so, wie er von Amadeos Körper geglitten war. Sein Gesicht zuckte, die Augenlider flatterten, sein weißes Hemd war blutgetränkt. Eine rot leuchtende Pfütze begann sich unter ihm auszubreiten, tröpfelte von Stufe zu Stufe.
    Rebecca tastete nach der blutüberströmten Brust des Wissenschaftlers. »Sheldon!«, rief sie noch einmal.
    Sheldon riss die Augen auf. Ein schwerer Atemzug. »Jonathan Simmons.« Ein zweiter, rasselnder Atemzug. »Bri... British Museum.«
    Dann ein Keuchen. Sheldon bäumte sich auf und versuchte Rebecca fortzustoßen. Mitten in der Bewegung zuckte er heftig zusammen und fiel reglos zurück.
    Amadeo starrte auf den Toten. Er konnte es nicht fassen. Es war zu viel, zu rasch, um es zu begreifen.
    Dann, auf einmal, war es, als setze die Zeit wieder ein, nähme ihre gewohnte Geschwindigkeit auf, während sich die letzten Sekunden wie in Zeitlupe abgespielt hatten. Rebecca erhob sich und schwankte einen Moment. Sie presste die rechte Hand gegen den linken Ellenbogen, und einige Tropfen Blut sickerten zwischen ihren Fingern hervor. Vielleicht war es auch Sheldons Blut.
    Rings um sie war noch immer Geschrei. Einige Studenten umstanden ein Mädchen, dessen Gesicht kreidebleich war. Der Oberschenkel der Studentin blutete heftig. Einer der Schüsse musste sie getroffen haben. Ein junger Mann in den Farben des Magdalen College versuchte, das Bein abzubinden.
    Aus der Ferne tönte die erste Sirene. Gleichzeitig stürmten von St. Mary's zwei Polizisten heran.
    »Kommen Sie!« Rebeccas Stimme klang rau. Amadeo blickte zu ihr auf, versuchte zu begreifen, was sie von ihm wollte. »Kommen Sie!«, befahl sie. »Wir müssen nach London!«
    »Wir können doch nicht...«
    »Jonathan Simmons«, sagte sie scharf. »Das ist unser Mann. Sheldon ist tot. Jetzt kommen Sie endlich!«
    Amadeo stemmte sich in die Höhe. Für einen Moment bekam er keine Luft, und seine Rippen stachen in die Lungen wie Messer.
    Die Polizisten waren beinahe heran, doch rund um die Radcliffe Camera herrschte Chaos. Noch.
    Amadeo sah, wie Rebecca sich einer Gruppe von Studenten näherte, dann unauffällig die Richtung wechselte und sich ganz allmählich an den Rand der Menge bewegte. Er ging in dieselbe Richtung, während sich einer der Polizisten über Sheldons Körper beugte. Jemand rief Amadeo etwas nach, doch da befand er sich bereits inmitten der Menschen. Dort vorne sah er Rebecca, sie hatte jetzt zwischen St. Mary's und dem All Souls' College den Rand des Platzes erreicht. Studenten kamen ihr entgegen, besorgt, neugierig.
    Amadeo holte sie allmählich ein, doch jeder Schritt war ein Stich in seiner Brust. Dann war er endlich bei Rebecca. Ihr Wagen parkte zehn Minuten entfernt an der High Street.
    »Los!«, sagte sie.
    Er biss die Zähne zusammen: »Was bleibt uns anderes übrig?«
XXXIX
    Rebecca glitt hinter das Steuer, stellte rasch den Rückspiegel ein und setzte zurück. Amadeo saß erst halb im Wagen, als der Toyota anruckte, und kam aus dem Gleichgewicht. Unsanft plumpste er in seinen Sitz. Er konnte den Schmerzensschrei nicht unterdrücken. Es fühlte sich an wie eine stumpfe Eisenstange, die sich durch seine Brust bohrte.
    »'tschuldigung«, murmelte Rebecca. »Ich seh mir das gleich an.« Sie fädelte in den Verkehr ein und verstellte jetzt auch den Seitenspiegel.
    »Das ist die falsche Richtung«, keuchte Amadeo unter Schmerzen.

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