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Die letzte Praline

Die letzte Praline

Titel: Die letzte Praline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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und zwischen die anderen stellen. Eine mehr oder weniger würde nicht auffallen, zumindest nicht direkt. Irgendwann schon, wenn die Leiche verweste, aber dann wären Sie längst zurück in Frankreich. Deshalb trugen Sie die Schokolade so dick auf – die Hülle sollte den Leichnam in der Senkrechten halten. Doch irgendwann wurde Ihnen klar, dass dies zu lange dauern würde, und deshalb brachen Sie die Aktion auf halbem Weg ab. Dass es dieselbe Schokolade war, aus der auch die Skulptur der Chocofee gemacht war, habe ich aber erst später begriffen. Nämlich als Sie bei Franky van der Elsts Leiche bewusst die Schokoladenmischung eines Konkurrenten verwendeten – die von Urs Egeli, in dessen Firma Sie einst ein Praktikum absolviert hatten. Ganz unfeine Art, sich dafür erkenntlich zu zeigen, dass die Familienrezepte mit Ihnen geteilt wurden.«
    »Alles Lüge!«, schrie Cloizel nun durch den Raum.
    »Warten wir es doch ab«, entgegnete Bietigheim gelassen. »Der Jaguarkrieger hat die Schultern der Chocofee schon eingeschmolzen, und der Größe der Tatwaffe nach dürfte sie nicht viel tiefer versteckt sein. Es kann also nicht mehr lange dauern. Ich habe die Skulptur übrigens wiegen lassen, und sie ist viel schwerer, als sie es sein dürfte. Metall ist einfach ganz schlecht, wenn man sein Gewicht halten will.«
    Die Umherstehenden begannen, Fotos zu schießen und das Geschehen zu filmen. Zuerst nur vereinzelt, doch dann wurden immer mehr Handys in die Höhe gehalten.
    »Warum hätte ich Beatrice Reekmans töten sollen?«, fragte Cloizel nun. Aber auch darauf kannte Bietigheim die Antwort.
    »Ja, warum? Das Motiv ist profan und eines Künstlers wie Ihnen nicht angemessen. Wegen Geld, lieber Pierre Cloizel, wegen sehr viel Geld. Lassen Sie mich ein wenig ausholen. Die ältere Schwester Ihrer Großmutter Madeleine war 1943 spurlos verschwunden – sonst hätte sie damals alles geerbt, und nicht Ihre Vorfahrin. Ihr Name war Justine, und allem Anschein nach hatte die Familie etwas gegen ihre Entscheidung, einen Belgier zu ehelichen und noch dazu einen Aalfänger. Also ging Justine fort, zu ihm, ihrem Geliebten, wurde eine Reekmans und ließ nie wieder von sich hören. So berichtete es mir zumindest ein Kollege, der an der Sorbonne über die Schokoladenhistorie Frankreichs forscht und mit dem ich gestern deswegen sprach. Was für ein Schock muss es da für Sie gewesen sein, ein Familienerbstück der Familie Cloizel am Hals der Brügger Chocofee zu sehen.« Dem Chocolatier wich die Farbe aus dem Gesicht. »Ach, sehen Sie, da hängt noch das Bild von Beatrice Reekmans, was für ein Zufall. Sehen Sie die große Brosche mit der doppelten Lilie, Ihrer Familienblume? Es wird Sie nicht viel Mühe gekostet haben, in Erfahrung zu bringen, dass es sich bei Beas Großmutter, die einst aus Frankreich nach Belgien kam, um die wahre Erbin des Cloizel’schen Vermögens handelt. In Zusammenarbeit mit der Polizei habe ich dies gestern Abend einwandfrei beweisen können. Hat die junge Bea es ebenso schnell herausgefunden, als sie Ihr Wappen sah? Und Sie erpresst? Wollte sie Geld? Oder gingen Sie einfach auf Nummer sicher? Sagen Sie es ruhig.«
    Die schokoladigen Brüste hatten sich verflüssigt, der Jaguarkrieger richtete den Bunsenbrenner nun auf den Bauchnabel.
    Cloizel schwieg.
    »Und Franky van der Elst? Der war Ihnen auf der Spur, oder? Der Streit, den Sie beide hatten und von dem der junge Emile berichtete, da ging es genau darum. Auch wenn Sie van der Elsts Sohn etwas ganz anderes erzählten. Van der Elst war fuchsteufelswild, weil jemand die Zukünftige seines Sohnes ermordet hatte, die Frau, welche zudem eine unselige Fehde zweier Brügger Familien beenden würde. Und er spürte, dass es mit Ihnen zusammenhing.«
    »Alles bloße Behauptung.« Cloizel winkte kopfschüttelnd ab.
    »Warten wir einfach, bis die Tatwaffe aus der Schokolade auftaucht. Die DNA-Analyse wird nicht lange dauern. Die Tat geschah im Affekt, Sie haben sicher keine Handschuhe getragen, dafür nachher alles gründlich gesäubert. Aber vielleicht gibt es irgendwo ein Haar oder eine Haarschuppe, ein Textilfaserchen von Ihrer Kleidung, und das wird ausreichen.«
    Der Bauchnabel der Chocofee hatte sich aufgelöst, der ganze Bauch wurde weich, verflüssigte sich.
    Dann erfüllte ein Raunen den Saal, denn etwas Metallisches war in der Schokoladenmasse aufgetaucht.
    Klick.
    Stromausfall.
    Die Düsternis überschwemmte den Saal, alle Augen ertranken darin. Durch die Fenster

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