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Die letzte Praline

Die letzte Praline

Titel: Die letzte Praline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Job als Personal Assistant?«
    Jetzt war es an Adalbert zu grinsen. »Also gut – aber Sie müssen sich die Stelle mit Benno teilen.«
    In Fußballstadien ist Spannung spürbar, die Unruhe vieler kleiner, nervöser Bewegungen des Publikums überträgt sich, das Luftanhalten, wenn die Spieler auf das Feld laufen, der ohrenbetäubende, explosive Jubel bei einem Tor. Auch im Rathaussaal lag knisternde Elektrizität in der Luft, untermalt vom rhythmischen Geräusch der Conchiermaschine, die bereits seit fast 24   Stunden lief, damit die Schokolade für den Wettbewerb die perfekte Konsistenz hatte. Ein Korrespondent des »De Standaard« hatte ihn nach der Apparatur gefragt, und Adalbert war hocherfreut gewesen zu erläutern, dass diese Erfindung dem Schweizer Rudolphe Lindt zu verdanken war, der 1879 die Conche erfand, die ihren Namen wohl ihrer an eine Muschel erinnernden Form verdankte, schließlich heiße Muschel auf Lateinisch concha. Das Walzen der Maschine beeinflusste den Geschmack der Schokolade immens, da sich durch die ständige Durchmischung bei 76 bis 78   Grad Celsius unangenehme Aromakomponenten verflüchtigten. Erst nach stundenlangem Conchieren besaß die Schokolade feinen Schmelz am Gaumen, da Nichtfettstoffe wie Zucker und fettfreies Milchpulver vollständig mit Kakaobutter umhüllt waren. Diese sogenannte Fondantschokolade sollte die Grundlage aller heutigen Pralinen darstellen, denn sie stammte von einem der beiden Hauptsponsoren der Weltmeisterschaft: Chocolats Walrhano . Doch alle Chocolatiers durften eigene Schokolade untermengen. Schließlich schwor ein jeder auf seine Lieblingsmarke.
    »Da ist ja unser Held!«, begrüßte Madame Baels den Professor und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Habe ich nicht den besten aller Jurypräsidenten?«
    »Da werde ich Ihnen nicht widersprechen«, antwortete Adalbert und küsste ihre Hand. Sie duftete nach Lavendel. Madame Baels trug heute eine Art Brokatgardine, sogar mit Goldkante. Wenn sie die Arme ausbreitete, wirkte es fast, als hätte sie Flügel.
    »Jemand will Sie un-be-dingt sprechen, aber sputen Sie sich, mein lieber Professor, der Wettbewerb beginnt gleich.« Sie führte ihn zur Küchenzeile von Jana Elisa da Costa, die sich sogleich die Hände an ihrem Geschirrtuch, dem Touchon, abwischte, um Bietigheim zu begrüßen.
    »Ich habe gehört, dass Sie mein Retter sind. Dafür möchte ich Ihnen danken. Wenn Sie nicht gekommen wären, dann wäre ich jetzt vielleicht schon …« Sie sprach das Wort nicht aus, stattdessen gab sie Adalbert einen sanften Kuss auf die Wange.
    Er spürte, wie er sie in den Arm nehmen und trösten wollte, doch das gehörte sich nicht für einen Jurypräsidenten. Was würden die anderen Wettbewerber denken? Und wenn Jana Elisa dann gewann, würde es heißen, das hätte sie nur ihrem Gönner Adalbert Bietigheim zu verdanken. Er musste ganz professionell bleiben, auch wenn sie gerade wirkte wie ein kleines Vögelchen, das aus dem Nest gefallen war.
    Adalbert führte die junge Brasilianerin in eine Ecke des Saals, die weit genug von den anderen Chocolatiers entfernt lag. »Sehen Sie sich in der Lage, an der Weltmeisterschaft teilzunehmen?«
    Jana Elisa da Costa nickte, ihre Lippen entschlossen zusammengepresst. »Ich bin für mein Land hier. Und ab jetzt werde ich keinen Schritt mehr alleine tun. Vanessa hat mir erlaubt, dass ich mit in ihr Hotelzimmer darf. Sie hat ein Doppelzimmer. Dort fühle ich mich sicher.«
    »Haben Sie den Angreifer erkannt?«
    »Nein«, sie schüttelte ihren schönen Kopf. »Ich habe ihn ja nicht mal gesehen. Wenn es denn überhaupt ein Er war.«
    Der Professor sah sich um, entdeckte den kastenförmigen Taxifahrer und winkte ihn zu sich. »Pit. Foto. Der Jaguarkrieger.«
    Sie bekam es zu sehen.
    »Und so sah mein Angreifer aus?«
    Der Professor nickte.
    »Aber wieso ein aztekischer Jaguarkrieger? Ich stamme aus Brasilien, und die Azteken waren eine mexikanische Kultur. Welchen Zusammenhang gibt es da?«
    Sie erntete doppeltes Kopfschütteln.
    »Haben Sie vielleicht Streit mit jemandem aus Mexiko? Oder irgendeine Beziehung zu dem Land? Vielleicht Verwandte?«
    »Ich stamme von der Kakaoküste Brasiliens, aus Ilhéus, genau wie mein Vater, meine Mutter, deren Eltern und deren Eltern. Wir sind Kakaobauern, seit Generationen.«
    »Haben Sie eine Ahnung …«
    »… warum mich jemand angreifen oder sogar umbringen wollte? Das hat mich die Polizei auch schon gefragt, mehr als einmal. Die Antwort

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