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Die letzte Praline

Die letzte Praline

Titel: Die letzte Praline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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ist: Nein, habe ich nicht. Glauben Sie mir, ich frage mich nichts anderes. Und ob ich auch so enden werde wie Beatrice.« Sie blickte zu Boden. »Ich muss an meinen Platz, es geht gleich los.«
    Jana Elisa versank fortan völlig in ihrer Arbeit, hoch konzentriert. Sie kratzte das Mark aus Bourbon-Vanilleschoten, entkernte und hackte eine Chili, stellte brasilianischen Eukalyptushonig aus dem Urwald bereit und hochprozentiges, fast schwarzes Kakaopulver. Es waren die Zutaten für aztekische Trinkschokolade! Sie erhitzte diese behutsam und ließ sie dann aus großer Höhe von einem Topf in einen anderen fließen, um möglichst viel Schaum zu erzeugen, welchen die Azteken noch mehr liebten als das eigentliche Getränk. Wie sie diesen gleich in ihre zum Wein passende Praline einarbeiten wollte, war Bietigheim ein Rätsel.
    Und auch warum sie ihm eben nicht gesagt hatte, dass es bei ihr doch eine Verbindung zu den Azteken gab. Und sei sie kulinarischer Natur. Wollte sie es nicht sehen? Doch wie konnte man dies nicht sehen?
    Plötzlich schmiegte sich jemand an sein Bein.
    Leider war es nicht Madame Baels, sondern Benno. Aber das war ja auch nicht schlecht. Neben ihm stand Pit und aß Schokoladenbrocken.
    »Wo haben Sie die denn her? Doch nicht etwa einem Kandidaten gestohlen?« Bietigheim nahm ihm das Beweisstück aus der Hand und inspizierte es.
    »Gar nicht! Das war hinten an der Conchiermaschine heruntergetropft und hart geworden. Schmeckt aber gar nicht so doll. Können Sie gerne haben. Benno wollte auch nichts davon.«
    »Zu viel Schokolade ist Gift für Hunde!«
    Vor lauter Wut biss der Professor selbst in das Schokoladenstück.
    Es löste sich nur widerwillig in seinem Mund auf.
    Und mit einem Mal stand er in Gedanken wieder neben der Leiche Beatrice Reekmans’ und probierte die Schokolade, mit der sie bedeckt war. Es war nicht die gleiche, und doch erinnerte sie ihn an diese. Er sah Beatrice Reekmans’ Leiche abermals vor sich. Man konnte viel an einer Schokolade erkennen, wenn man nur wusste, worauf zu achten war. Zum Beispiel, ob die Leiche bereits kalt war, als die Masse darübergegossen wurde, oder ob diese mit der sterbenden Frau erkaltet war. Der Schmelzpunkt einer Schokolade liegt idealerweise bei 36   Grad Celsius oder knapp darüber, denn so schmolz sie im Mund – aber auch in der Hand oder auf der Haut. Lag der Schmelzpunkt deutlich darüber, fühlte sie sich beim Essen wie Wachs an. Lag er darunter, war die Stabilität der Schokolade im Sommer nicht gesichert. Beim Menschen lag die normale Körpertemperatur zwischen 35,8 und 37,2   Grad.
    Die Schokolade jetzt in seinem Mund musste auf ähnliche Weise hart geworden sein – auf einer bereits erkalteten Fläche.
    Was genau eines bedeutete: Beatrice Reekmans war bereits tot, als sie schokoliert worden war.
    Die Mordmethode musste eine andere gewesen sein.
    Ein Schuss? Ein Stich? Gift? Die Polizei hatte nichts verlauten lassen.
    Bisher auch nicht, ob ein aztekischer Jaguarkrieger damit in Zusammenhang stand.
    Die Zeiger seiner goldenen und mit einer Mondphasenanzeige ausgestatteten Uhr verrieten Adalbert Bietigheim, dass er wenig mehr als eine Stunde Zeit hatte, bevor der Wettbewerb begann. Zwar erwartete man, dass er bis dahin für Fotografen und Interviews bereitstand, doch dies war ihm herzlichst egal, um nicht zu sagen: schnurz. Er würde pünktlich wieder da sein, doch vorher sollte ihm die Polizei Rede und Antwort stehen. Schließlich hing sein Konterfei vor dem Rathaus, er war zum Gesicht des Wettbewerbs geworden, warb mit seinem edlen Aussehen für Brügge, wenn nicht ganz Flandern. Da musste ihm dieser schnöselige Hauptkommissar seine Fragen schließlich beantworten. Benno von Saber würde er derweil in Pits Obhut geben, mitsamt dem Befehl, den Vierbeiner entlang der Grachten spazieren zu führen.
    Die Polizeistation lag in der Lodewijk Coiseaukaai, im industriellen Norden der Stadt, abseits der Touristenströme. Auch Brügge hatte eine Rückseite – und leider war sie nicht die eines Supermodels. Die Polizei selbst logierte allerdings in einem schönen roten Backsteingebäude, das entweder sehr gut erhalten und renoviert oder neu gebaut worden war.
    Adalbert hatte sich schon an die vielen ihn anlächelnden Gesichter gewöhnt und auch an die immer wieder gestellte Frage, wie viel Schokolade er denn so pro Tag verspeiste. Nun kamen sie eben aus den Mündern von Uniformierten. Es dauerte eine Weile bis sie ihn, die Berühmtheit, quasi den

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