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Die letzte Praline

Die letzte Praline

Titel: Die letzte Praline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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dem CD-Player gerade nicht laut genug sein. Er hörte zurzeit gerne Hair Metal – und amüsierte sich immer noch darüber, dass auch Glatzenträger an dem wilden Kopfgeschüttel Spaß haben konnten. Die Seitenfenster hatte er heruntergedreht. Sollten ruhig alle Manowars »Louder Than Hell« hören. Und mitgrölen, wie er.
    Gleich würde er dem Professor alles brühwarm erzählen.
    Er hielt lässig vor dem »Relais Bourgondisch Cruyce« in der Wollestraat und wuchtete sich schwungvoll aus seinem Taxi Alfons dem Viertelvorzwölften. Der Professor würde jetzt sicher bei seinem Nachmittagstee sitzen, den er sich nur in äußersten Notfällen entgehen ließ. Er würde ihn an seinem Stammplatz im Erker über dem Kanal einnehmen, die Porzellantasse in der Hand, den kleinen Finger abgespreizt, Benno neben ihm an irgendwas kauend oder sich an einer Stelle ausgiebig leckend, für die Menschen Klopapier benutzten.
    Flotten Schrittes ging er in den Speiseraum, doch der Erkerplatz war leer.
    Der Tisch daneben dagegen voll.
    Die Lüdenscheid-Bietigheims plünderten das Kuchenbüfett. Wenn Heuschreckenschwärme den Himmel verdunkelten, den Tag zur Nacht werden ließen und über ein Maisfeld herfielen, blieb sicher mehr übrig.
    Wolfi sichtete ihn und hob die Hand zum Gruß.
    »Ach, guck mal, wer da kommt! Der junge Mann vom Adi! Komm, setz dich her! Peter, oder? Sind noch ein paar Krümel da. Du musst doch was auf die Rippen bekommen, du schmales Hemd.«
    Das hatte schon lange niemand mehr zu Pit gesagt.
    Eigentlich noch nie.
    »Hören Sie nicht auf ihn!«, sagte Elfi. »Setzen Sie sich zu mir.« Sie holte einen Stuhl vom Nachbartisch und klopfte einladend auf die Sitzfläche. Pit zuckte mit den Schultern und griff sich ein Stück Torte.
    »Wo steckt denn Ihr Verwandter?«
    »Der Adi ist wie vom Erdboden verschluckt«, erklärte Wolfi und verteilte die Krümel aus seinem Mund gleichmäßig auf dem Tisch, dem Boden und sich selbst. »Dabei waren wir hier verabredet, damit er uns die Stadt zeigt.«
    »Na ja«, korrigierte Elfi. »Nicht wirklich verabredet. Wir haben ihm gesagt, dass wir um die Zeit hier sind, damit er uns die Stadt zeigen kann. Und er hat irgendetwas Verschwurbeltes geantwortet. Sie wissen ja, wie er spricht.«
    »Das war ein Ja auf Professoralisch!«, prustete Wolfi. »Wie auch immer, jetzt sind Sie ja hier und können uns die Stadt zeigen.«
    »Ich wollte eigentlich zum … Adi.« Es fühlte sich nicht gut an, diesen Kosenamen auszusprechen. Sein Kehlkopf schämte sich fast dafür.
    »Der kann warten. Ist doch Professor! Die warten doch immer auf ihre faulen Studenten. Also keine Widerworte!« Wolfi erhob sich und zwickte Pit über den Tisch hinweg freundschaftlich in die Wange. Normalerweise gab’s dafür eine auf die Zwölf.
    »Wir würden uns so freuen, die Kinder auch! Nicht wahr, Kinder?«
    Kevin, Chantalle, Angelina und Heinz-Horst mampften, ohne jemanden oder etwas im Raum wahrzunehmen – abgesehen von dem Kuchen auf ihren Tellern.
    »Sehen Sie!«, sagte Elfi. »Wie die sich freuen! Die vier reden von nichts anderem als einer Stadtrundfahrt. Nicht wahr, Kinder?« Sie wartete keine Antwort ab. »Und Sie haben doch ein Taxi. Die Kinder lieben Taxifahren. Heinz-Horst will sogar Taxifahrer werden.«
    »Wer will das nicht?«, fragte Pit. »Das oder Astronaut.«
    »Na, dann ist ja alles klar. So, Kinder. Auf geht’s! Der Peter fährt uns durch Brügge. Packt den restlichen Kuchen in Servietten ein, als Proviant. Und wehe, einer pupst im Auto. Ihr wisst, dass ich das nicht leiden kann.«
    Gut, dachte Pit, das bedeutete Fenster runter, die ganze Fahrt lang. Und danach in die chemische Reinigung. Er ergab sich seinem Schicksal. Immerhin waren sie Bietigheims Verwandte – und er hatte es auf dem Gewissen, dass sie hier waren. Der Schokobär musste zukünftig echt aufpassen, wessen Trollinger er vor der Presse über den grünen Klee lobte.
    »Aber nur eine ganz kurze Fahrt, ich muss wirklich mit dem Professore reden, ist was Dringendes. Er ermittelt ja in dieser Mordsache.«
    »Sie meinen die pralinierte Frau?« Elfi musste kichern. »Die Presse schreibt, sie sei die leckerste Leiche aller Zeiten gewesen. Mordslecker!«
    Jetzt musste auch Wolfi lachen. Selbst Kevin, Chantalle, Angelina und Heinz-Horst grinsten breit.
    Elfi und Wolfi saßen ganz fix auf ihren Plätzen, die Kinder krochen dagegen wie faule Raupen hinterher. Pit beschloss, irgendwie durch die Innenstadt zu kurven und zu versuchen, dabei weder

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