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Die letzte Praline

Die letzte Praline

Titel: Die letzte Praline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Mitarbeiter zu sich, um die Tote abzutransportieren.
    Plötzlich spürte Bietigheim, dass ihn ein Augenpaar fixierte. Als er sich umdrehte, sah er, dass es Aspe gehörte. Dieser blickte von draußen durch das geöffnete Fenster hinein.
    »Wer sind Sie denn?«, blaffte Aspe ihn an. »Und was haben Sie da für einen Scheiß an? Ziehen Sie mal den Mundschutz ab!«
    »Geht nicht«, murmelte Bietigheim.
    »Runter mit dem Scheißding.«
    »Ich hab die Schweinegrippe.«
    »Die Stimme kenn ich doch!« Aspe wuchtete sein Bein über den Fensterrahmen, um hereinzuklettern.
    Bietigheim entfernte sich unerlaubt vom Tatort.
    Unerlaubt und verdammt schnell.
    Die Verkleidung schmiss er zerknüllt hinter den Empfangstresen – um sich danach ins Klo nahe der Bar einzuschließen.
    »Wo ist er?«, brüllte Aspe draußen. »Das war doch wieder dieser … dieser … aaaaargh!« Er trat gegen etwas. Es klang, als sei es die Wand gewesen.
    Bietigheim wartete einige Sekunden, ob das Haus einstürzte.
    »Ich kriege Sie! Hören Sie? Von Ihnen lasse ich mir nicht dazwischenfunken. Von Ihnen nicht!«
    »Aber von mir, oder?«, ertönte eine zweite Stimme. »Ich funke nämlich total gern dazwischen. Deswegen nenne ich mich auch Piratensender Pit.«
    Pit! Manchmal schickte ihn der Himmel. Manchmal auch die Hölle. Und meist sein Magen.
    »Sie haben mir gerade noch gefehlt. Hauen Sie ab! Zurück in das Loch, aus dem Sie gekrochen sind. Godverdomme!«
    Nochmals trat er gegen das an dieser Situation völlig unschuldige Haus, bevor er wieder in Richtung Tatort marschierte.
    Bietigheim wartete noch einige Sekunden, bevor er leise die Tür öffnete, sich versicherte, dass die Luft rein war, und so selbstverständlich heraustrat, als habe er gerade nur ein Geschäft verrichtet. Pit stand vor dem Hoteleingang und rauchte eine selbst gedrehte Zigarette, die roch, als hätte eine Jauchegrube Feuer gefangen.
    »Ah, Professor. Sie suche ich! Muss Ihnen dringend was erzählen.«
    »Was ist das Erste, was Ihnen zu Obsidian einfällt?«
    »Jaguarkrieger«, entgegnete Pit prompt.
    »Wie bitte?«
    »Ja, was denn sonst? Die haben Obsidian doch für ihre Klingen verwendet. Also zumindest in dem Computerspiel. Warum gucken Sie plötzlich so komisch, Professore? Ist alles klar?«
    Nein, nichts war klar.
    Und Bietigheim tat etwas, das er seit Jahren nicht mehr getan hatte und das seinem Schneider Tränen in die Augen getrieben hätte.
    Er ging in die Knie und setzte sich auf den schmutzigen Boden.
    Pit ließ ihn eine Weile da sitzen. Manchmal musste das einfach sein. Bei ihm selbst üblicherweise nach Alkoholgenuss in volkswirtschaftlich relevanten Mengen. Er sog die Luft tief ein, die war wirklich gut, salzig, mit einem Hauch von Seetang und lecker gebratenem Fisch – das mochte er sich allerdings auch nur einbilden. Fisch war zwar bei Weitem nicht so gut wie Fleisch, aber gegrillt oder gebraten ging er als Ersatz glatt durch. Natürlich mit Fritten. Oh ja, Fritten, die in Rinderfett frittiert waren. Und dazu als Beilage vielleicht noch ein kleines Steak, höchstens ein Pfund schwer, und ein paar Thüringer Rostbratwürste. Aber keine Thüringer Art, nein, die echten.
    »Was reden Sie da von Thüringer Rostbratwürsten, Himmelherrgott noch mal. Hier ist gerade jemand ermordet worden.«
    »Habe ich geredet? Ich dachte, ich hätte nur gedacht.«
    »Glauben Sie etwa, ich kann Gedanken lesen?«
    Pit überlegte kurz. »Können Sie?«
    »Nein, und jetzt helfen Sie mir hoch. Wir müssen zu Madame Baels. Diese Weltmeisterschaft produziert eindeutig zu viele Leichen. Wir müssen sie absagen. Umgehend! Oder zumindest aussetzen, bis der Mörder gefasst ist.«
    Als Bietigheim wieder auf den Beinen stand, wollte Pit ihn stützen, doch der Professor wehrte ab und bugsierte sich wenig später auf den Rücksitz des Taxis. »Keine Musik!«, befahl er. »Ich muss denken. Und lasse Sie sogar daran teilhaben. Schweigend daran teilhaben.«
    Pit fuhr extra ruckelnd los. »Schon klar. Wenn der Kuchen spricht, haben die Krümel zu schweigen. «
    »Sehr schön gesagt! Also, lassen Sie uns, oder genauer: lassen Sie mich rekapitulieren. Nach allem, was wir wissen, sieht es so als, als ob es der Jaguarkrieger war, welcher Jana Elisa da Costa ermordete. Mit einer Klinge aus Obsidian. Mit dieser hat er auch an einer Schweinehälfte, ja, was nur? Geübt? Ich wüsste nicht, was sonst. Schwein und Mensch sind sich sehr ähnlich, und woher soll man ohne Übung wissen, wie mit einer solchen Klinge,

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