Die letzte Praline
Asiaten noch Schotten oder andere Touristen zu überfahren, denen die Unterscheidung zwischen Bürgersteig und Fahrbahn mit steigendem Schokoladenpegel im Blut immer unklarer wurde.
Er war nur wenige Hundert Meter gefahren, bis auf den Grote Markt, da traf ihn ein Schock – in Form eines großen Banners. Ja, es war sogar noch größer als das Banner für die Weltmeisterschaft der Chocolatiers. Es hing nicht am Rathaus, sondern am Belfried und warb für die heute startende »Olympiade der Pommes frites«.
Pit wollte nicht in der Haut desjenigen stecken, der Adalbert dies mitteilte.
Normalerweise wurden die Überbringer schlechter Nachrichten ja nicht geköpft. Aber vielleicht machte der Professor mal eine Ausnahme.
»Was sehen wir denn jetzt alles Hübsches?«, fragte Elfi.
»Ist ja ganz schön alt, die Stadt«, sagte Wolfi anerkennend und deutete aus dem Fenster.
»Jau, das ist sie«, bestätigte Pit. »Mindestens tausend Jahre alt, einige Teile sogar zweitausend und die ältesten Häuser sogar zehntausend,«
»Donnerwetter.« Wolfi war wirklich beeindruckt.
»Und die Fenster sind immer noch sauber«, sagte Elfi fachkundig.
Pit bekam Spaß an seiner Rolle als Fremdenführer. »Am Horizont kann man … nee, jetzt nicht mehr … Achtung, gleich kommt sie … da war eine Windmühle! Gesehen? Auch egal, war die älteste von ganz Holland … und sogar von Europa. Das hier ist eine von den berühmten Kirchen Brügges … da liegen die Knochen vom Nikolaus. Ein Kanal … der berühmteste übrigens, bekannt als Starkbierkanal. Dahinter stehen viele Leute vor einem alten Haus, sehr, sehr berühmt … noch ein Kanal … ist der zweitberühmteste, bekannt als Leichtbierkanal. Das da ist eine gute Frittenbude … und hier wieder eine der berühmten Kirchen, es könnte sogar die von eben sein … ein Kanal … der ist jetzt nicht so berühmt, um nicht zu sagen, völlig unbekannt … hier im Eckladen gibt es erotisches Spielzeug. Und da ist schon wieder ein Kanal, man glaubt es kaum …. das Grüne da nennt sich Baum, sehr selten … Augen auf, da ist ein Standbild von einem berühmten Mann aus Brügge … er hat die Mayonnaise erfunden … Willem de Mayon … da kommt eine Kutsche auf uns zu, gezogen von großen belgischen Hunden.« Pit prüfte, ob eine Reaktion kam, aber die Eltern Lüdenscheid-Bietigheim hielten mittlerweile die Köpfe aus den geöffneten Fenstern und genossen den Fahrtwind. Die Kinder schauten die ganze Zeit nur in ihre Nintendos, Kopfhörer auf den Ohren.
»Und wieder ein Kanal, in diesem leben übrigens auch Riesenkraken und Dinosaurier.«
»Dinosaurier?«, kam es von der Rückbank, Heinz-Horst war also noch unter den Lebenden. »Wo? Ich seh keine«, setzte Angelina mit nörgeliger Stimme hinzu.
»Ich meinte die Schwäne«, erklärte Pit. »Man nennt sie auch die Dinosaurier Belgiens.«
So, und jetzt hatte er genug.
Und er hatte eine Idee, eine fabelhafte Idee sogar.
Oh, war die gut!
»Zum Ende meiner Führung: der Höhepunkt. Ich bringe Sie zur allerbesten Chocolaterie Brügges, und zwar direkt vor die Eingangstür, obwohl man da nicht parken darf, gehört alles zum Service. Bitte beharren Sie darauf, den Chef des Hauses zu sprechen, selbst wenn er sich ziert, er mag das.«
»Wirklich?« Elfi wirkte unsicher.
»Vertrauen Sie mir, ich weiß, was ich tue. Stellen Sie ihm ganz viele Fragen, unentwegt, nicht lockerlassen, das findet man hier in Belgien höflich. Wenn Sie keine Fragen stellen, gilt das als schlechtes Benehmen. Außerdem: viele Pralinen probieren! Ruhig auch ohne zu fragen. Und ganz zum Schluss, wenn er so tut, als sei er stinkewütend – das ist so seine Masche, ein ganz Witziger ist das –, dann grüßen Sie ihn vom Professore. Aber erst ganz zum Schluss. So als Überraschung.«
»Wenn Sie das so sagen, Peter, dann machen wir das«, bestätigte Wolfi.
Sie waren da.
Vor dem Geschäft von Franky van der Elst.
Der Chef war zwar nicht hinter der Theke zu sehen, doch wenn Pit sich richtig erinnerte, hatte dieser für heute die Präsentation seiner Praline aus der ersten Finalrunde angekündigt. Sehr geschäftstüchtig.
Pit stellte sich so neben die Tür, dass er hineinlinsen konnte, ohne direkt gesehen zu werden. Die Lüdenscheid-Bietigheims wurden zuerst von einem jungen Mann begrüßt, der sich als van der Elsts Sohn Emile herausstellte, welcher tatsächlich seinen Vater holte, nachdem die Familie mehrfach darauf bestanden hatte.
Pit besah sich das Schauspiel einige
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