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Die letzte Praline

Die letzte Praline

Titel: Die letzte Praline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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kaufen, und auf einer Leinwand im Zirkuszelt wurden die Teilnehmer per Videostream abwechselnd gezeigt. Aber nur frontal, darauf hatten diese bestanden, schließlich sollten keine Geheimzutaten und -prozeduren per Übertragung preisgegeben werden.
    Adalbert stand bei Pierre Cloizel, der das Thema Wein und Schokolade betont staatstragend in Szene setzte. Der Franzose hatte einen Kuchen im Umriss seines Heimatlandes gebacken und dafür Schokoladen aus dem Haus seiner Familie verwendet, die aus Bohnen verschiedener Länder hergestellt worden waren, darunter Ghana, Madagaskar, Ecuador und die Dominikanische Republik. Er hatte diese jedoch nicht miteinander vermischt, sondern daraus einzelne Kuchen gebacken und sie dann wie ein Puzzle zur Form seines Heimatlandes zusammengesetzt. Darüber hinaus waren sie entsprechend der Weinregionen Frankreichs jeweils mit einem Wein getränkt, der wiederum perfekt mit der verwendeten Schokolade harmonierte. Eine geniale Idee. Zum Schluss wollte er alles mit einer weißen Schokoladenglasur überziehen, die er in drei Portionen geteilt hatte und einmal pur, einmal rot und einmal blau eingefärbt verwendete, um die Nationalflagge Frankreichs darzustellen.
    Obwohl Cloizel ausgesprochen nervös wirkte, ging ihm die Arbeit leicht von der Hand. Die Aufgabe des Halbfinales wie auch des Finales war im Vorhinein bekannt gegeben worden, damit möglichst Eindrucksvolles geplant werden konnte. Man sah, dass er diesen Kuchen schon oft gebacken hatte. Auf Cloizels Schultern lastete viel, nicht nur die Erwartung einer großen Schokoladennation, sondern auch die seiner altehrwürdigen Familie. Würde er es nicht unter die ersten drei schaffen, wäre es eine Schmach, auf die sich die französischen Medien wie Geier stürzen würden. Denn Cloizel war ein Gigant, die Massen liebten es, wenn so einer fiel.
    In Edward Macallans Pavillon lief ohrenbetäubend laute Dudelsackmusik, doch sein Kuchen war keine Hommage an die Heimat, sondern an das Meer. Er maß sicher einen Quadratmeter und bildete ein Stück Strand eins zu eins ab. Macallan war es gelungen, die Zuckermasse, mit der er das Wasser darstellte, vor der Aushärtung und dadurch vor der Trübung zu bewahren. Auf den sandigen Grund unter diesem klaren Wasser hatte er Krabben und Krebse gesetzt. Dort, wo das Meer an den Strand spülte, lagen Algen und weißer Algenschaum, Muscheln und sogar ein Haifischzahn, alles aus Marzipan oder Schokolade, welche er mit Pistazien, Roter Beete oder Lakritz eingefärbt hatte. Adalbert stockte der Atem, so täuschend echt war es. Das Thema Wein hatte Macallan raffiniert umgesetzt – und wie beim Billard über Bande gespielt. Genau wie Cloizel hatte er den Kuchenteig getränkt, jedoch nicht mit Wein, sondern mit Edradour Single Malt Whisky, der in Weinfässern nachgelagert wurde. Und zwar nicht in irgendwelchen, sondern den edlen des Château d’Yquem aus dem Sauternes-Gebiet im Bordelais, welche den teuersten Süßwein der Welt enthalten hatten. Viel Whisky war in den Kuchen geflossen – viel aber auch in Macallan, dessen glasige Augen davon kündeten. Er arbeitete wie im Rausch, schien sich von seiner Intuition leiten zu lassen. Alles kam bei ihm aus dem Bauch heraus.
    Adalbert befremdete dies, schließlich war Backen eine exakte Wissenschaft, eine Art chemisches Experiment im Ofen. Wahre Größe entstand dabei nur durch äußerst korrektes Messen und Arbeiten. Dieser Macallan würde mit seinem Sandkuchen deshalb hochkant verlieren. Adalbert hatte ihn zwar noch nicht probiert, aber da gab es keinen Zweifel. Zudem war er ihm in Anbetracht der Morde an zwei jungen Frauen bedeutend zu fröhlich.
    Franky van der Elst hatte sich für ein Gebirge mit zwei Kuppen entschieden, die Bergspitzen von Eis gekrönt. Im Publikum, ganz vorne, stand van der Elsts Sohn und rief ihm Anweisungen zu, neben diesem der Schokoladenskulpteur Fred de Vaele mit hochtoupierter Einstein-Mähne und einer prächtigen Beule auf der Stirn, die Pits Kopfnuss geschuldet war. An seiner Seite: Mareijke Dovendaan. Was für eine Mischpoke!
    Adalbert ging näher an van der Elsts Kuchen heran, um die Konsistenz der Berge zu prüfen. Sie waren nicht fest, sondern leicht wabbelig, und auf der weißen Spitze war ein kleiner Knubbel. Sie sahen fast aus wie … Brüste!
    Nicht nur fast, das war ein Brustgebirge! Und nun goss er eingedickten Wein darüber!
    »Den muss man vor dem Essen ablecken«, feixte van der Elst. »Und gefüllt sind sie mit süßer

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