Die letzte Praline
Milchcreme. Genial, oder?«
Kopfschüttelnd wandte Bietigheim sich ab. Immerhin war damit van der Elsts Ausscheiden im Wettbewerb besiegelt.
Im nächsten Pavillon werkelte Bill Bulldoss an einer Quadruple-Chocolate-Explosion, die aus Schokoladenkuchen mit Schokoladenstücken, Schokoladenmousse, Schokoladencreme, Schokoladenglasur, Schokoladenstreuseln und Schokoladensahne bestand. Dazu Schokoladeneis. Bulldoss hatte für alles die gleiche Schokoladensorte, Criollo aus Ghana, verwendet, jedoch mit unterschiedlichen Kakaoanteilen.
»Wo ist denn der Wein?«, fragte Adalbert.
»Der Wein? Wieso? Wo soll er sein?«
»Nun ja, das Thema ist schließlich Wein & Torte .«
»Wein kann man super dazu trinken!«
»Das reicht in diesem Fall nicht, darum ging es in der ersten Runde. Wenn Sie das Thema Wein nicht einbauen, fliegen Sie raus.«
»Sekunde!« Bulldoss verschwand und kehrte kurz danach mit einer Flasche zurück, die verdächtig nach einem der französichen Weine Cloizels aussah. Er rührte ihn in die Creme hinein. »Chocolate-Wine-Explosion!«
Wer mit so wenig Ernst und Disziplin heranging, dessen Ausscheiden war abzusehen!
Im nächsten Pavillon war es bemerkenswert ruhig, wie in einer Messe. Die Konzentration des Schweizer Chocolatiers, der jede Zutat sensibel und hochachtungsvoll wie Goldstaub behandelte, übertrug sich auf alle Umstehenden. Urs Egelis Torte war quadratisch, ganz schlicht. Doch Adalbert roch, was mit ihr los war, roch das Außerordentliche, das Spektakuläre.
»Hundert Prozent?«, fragte er.
Egeli nickte.
Für die Torte war ausschließlich hundertprozentige Schokolade verwendet worden, diese enthielt keine Kakaobutter, keinen Zucker, einfach nur Kakao pur. Hundertprozentige konnten staubtrocken und ungenießbar schmecken, doch der Professor erschnupperte, dass es bei dieser anders war. Keine Bitterkeit war zu erkennen, stattdessen Aromen von getrocknetem Obst und dunklem roten Wein. Diese Torte war, und das wusste Adalbert, ohne sie gekostet zu haben, einfach genial.
Dagegen würden es alle anderen Wettbewerber schwer haben.
So auch der Nächste auf Adalberts Runde. Ottavio Bertinotti hatte seinen Worten Taten folgen lassen und eine Torte im Andenken an Jana Elisa da Costa geschaffen. Aus Gründen der Trauer war er weiterhin komplett in Schwarz gekleidet, außerdem hatte er ein gerahmtes Foto Jana Elisa da Costas auf seine Küchentheke gestellt.
Die von ihm verwendete Schokolade war aztekisch gewürzt, unter anderem mit Chili, Cayennepfeffer, Piment, Vanille, Blütensamen sowie den gemahlenen Samen des Seidenbaumwollbaums. Verzichten musste er dabei natürlich auf »Hueinacaztli«, das beliebteste und wertvollste Schokogewürz der Azteken, hergestellt aus dem Blütenblatt der Ohrenblume und der Legende nach so wertvoll wie Gold. Doch wie es schmeckte, hatte bisher niemand herausfinden können.
Bertinottis Kuchen hatte die Form eines Fußballs, war außen gelb und innen grün – die Farben Brasiliens. Die Glasur, die der Italiener gerade auftrug, bestand aus mit Zucker versetztem brasilianischen Weißwein. Den in der kurzen Zeit aufzutreiben verdiente eigentlich einen Sonderpreis.
Adalbert notierte sich einige Stichworte und wechselte zum siebten Pavillon. Jón Gnarr hatte Schweiß auf seinem Glatzkopf und war kurzatmig, denn sein Kuchen war ein Balanceakt – und wer ihn aß, zerstörte ihn. Das war zwar bei jedem Kuchen so, doch bei diesem traf es ganz besonders zu. Er hatte die Form eines Weinfasses und war mit einem echten Zapfhahn versehen. Drehte man diesen auf, floss schwerfällig eingedickter, süßer Wein heraus. So viel Kreativität hatte Adalbert dem Isländer gar nicht zugetraut.
Im letzten Pavillon werkelte Vanessa Hohenhausen. Ihr Kuchen sah aus wie eine Wolke. Er war ganz und gar weiß, eine Hymne aus Mehl, Eiern, Zucker, Marzipan und weißer Schokolade. Zudem hatte sie kaviarähnliche Kügelchen erzeugt, die komplett aus Wein bestanden, genauer gesagt, aus Rieslingsekt des Ahrtals. Wie schillernde Perlen umhüllten sie zusammen mit weißen Mandelsplittern und Kokosflocken den hellen Teig. Zu guter Letzt verlieh Zuckerwatte der Torte eine wolkenhafte Leichtigkeit. »Ganz in Weiß« lautete ihr Titel.
Bietigheim kamen sogleich die berühmten Zeilen von Roy Black in den Sinn »Ganz in Weiß mit einem Blumenstrauß / So siehst du in meinen schönsten Träumen aus / Ganz verliebt schaust du mich strahlend an / Es gibt nichts mehr, was uns beide trennen kann / Ganz in
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