Die letzte Praline
berühmtesten Sohn, den Naturwissenschaftler Simon Stevin, stand. Er hatte unter anderem die Unmöglichkeit eines Perpetuum mobile bewiesen, das Komma bei Dezimalzahlen eingeführt und erklärt, dass die Anziehungskraft des Mondes verantwortlich für die Gezeiten war.
Als Adalbert die Statue sah, fragte er sich unwillkürlich, wo nach seinem Dahinscheiden Denkmäler für ihn errichtet würden. Epoigey, Cambridge und Hamburg planten sicher bereits, doch es sollten schon noch ein paar Hauptstädte dazukommen. Sicher würde sein bald erscheinender, geradezu revolutionärer Bildband über »Whisky – Alle Dellen der Brennblasen schottischer Destillerien und ihre transhistorische Geschichte« dazu führen.
Die nächsten Meter verliefen ruhig, es waren viele Menschen auf den Straßen, sodass Mareijke Dovendaan ihn und Madame Baels nicht direkt ausmachen konnte, aber doch so wenige, dass die Verfolgung problemlos möglich war. Das Einzige, was Adalbert störte, waren die unerträglichen Plakate für die Frittenolympiade. Geschmacklos zeigten sie riesige, vor Fett triefende Pommes, die mit lachenden Gesichtern und Lorbeerkränzen auf einem Podest tanzten. Wie viel schöner waren da die Plakate der Chocolatiersweltmeisterschaft, auf welchen fröhliche Pralinen mit Siegerkränzen um den Belfried tanzten. Lustig und trotzdem mit Niveau. Es ging doch! Aber die vielen Fritten hatten diesen Olympiadefatzkes sicher längst die Hirne verfettet.
Adalbert beschloss, sie einfach nicht mehr anzusehen.
In der Kemelstraat befand sich das »Brugs Beertje«, eine der beliebten Bierkneipen, in dessen Innerem es mehr Biersorten als Sauerstoffmoleküle gab.
Benno zog an der Leine, stürmte darauf zu und suhlte sich in einer dunklen, braungrünen Lache, welche die Konsistenz von Schmieröl hatte und aus der kleine Knöchelchen hervorschauten.
Adalbert lächelte entschuldigend zu Madame Baels, als sich die Tür der Kneipe öffnete und einen Mann ausspie wie Katzen einen Fellklumpen.
»Dr. Bietigheim! Na, so ein Zufall!«, stolperte dieser auf Adalbert zu. Er hatte eine Fahne, die sicherlich bis über die belgische Grenze in die Niederlande reichte und dort Windkrafträder antrieb.
»Professor Dr. Dr. Bietigheim«, korrigierte Adalbert. »So viel Zeit muss sein.«
Es war Hauptkommissar Pieter Aspe, der nun eine Hand auf Bietigheims Schulter legte. Mit der anderen hielt er ein Bierglas.
»Lassen Sie uns reden! Wir zwei, ja, wir hatten einen scheiß Start. Also machen wir jetzt einen Neustart. Sie sind zwar ein hochnäsiger Arsch, aber clever. Ich bin cleverer, aber ich komme nicht weiter«, lallte Aspe. »Wir sollten reden, einfach mal quatschen, uns austauschen. Ich mach Sie zum Hilfssheriff. Kommen Sie, ich geb Ihnen ein Bier aus oder auch zwei, ist mir egal, wie viele, die haben Hunderte Sorten hier. Sie sind mein Gast.« Aspe zerrte an Adalberts Maßanzug aus Merinowolle.
Zur gleichen Zeit näherte Mareijke Dovendaan sich der nächsten Abzweigung. Wenn er sie nicht verlieren wollte, musste er schleunigst hinterher.
Aspe reichte ihm die Hand. »Kommen Sie, Doktor, lassen Sie uns zusammenarbeiten, dann kriegen wir den Saukerl schon. Ich hätte nie gedacht, dass ich so was mal zu einem deutschen Touri sagen würde, und ich mach es sicher auch nie wieder, aber: Ich bin der Pieter!«
Mareijke Dovendaan bog rechts ab.
»Ein andermal. Und es heißt Professor Dr. Dr. Bietigheim. Merken Sie sich das, und gehaben Sie sich wohl.« Bietigheim drückte Phinchens Hand und machte sich festen Schrittes von dannen.
»Sie sind echt das größte Arschlosch, das hier herumläuft!«, brüllte der Hauptkommissar ihnen hinterher. »Von mir erfahren Sie nix mehr! Und wenn ich Ihnen das Leben schwer machen kann, dann werde ich das mit vollem Einsatz tun.« Aspe rülpste laut und wütend, bevor er, unentwegt fluchend, wieder im »Brugs Beertje« verschwand.
»Warum haben Sie nicht ihm gesprochen?«, fragte Madame Baels nun.
Adalbert lächelte sie an. »Weil wir beide nun spazieren gehen. Und nichts könnte wichtiger sein.« Er beschleunigte seinen Schritt und zog Benno von einer orangelila Pfütze fort.
»Sie alter Schmeichler.« Phinchen schmiegte sich an ihn. »Sie haben im Zirkuszelt so schön über Küsse und Pralinen geredet. Es klang, als kennten Sie sich damit gut aus.«
»Nun ja, auch Professoren ist das Küssen nicht untersagt.«
»Man müsste Pralinen und Küsse mal einem direkten Vergleich unterziehen. Ups, da habe ich ja
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