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Die letzte Reifung

Die letzte Reifung

Titel: Die letzte Reifung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Buschlandschaft, die den Wind herb würzte, indem sie ihm ihren unvergleichlichen Myrtenduft anvertraute. Die Macchia bot eine ganz eigene Mischung aus Sträuchern, niedrigen Bäumen und Kräutern – Ziegen und Schafe weideten hier, die Viecher sahen fast wild aus.
    Und sehr, sehr lecker.
    Die Käserei von Davide Aleppo lag im Dorf Oletta im Nebbio, südlich von Saint-Florent. Das Dorf schien den Hügel hinaufzuklettern wie eine Burganlage, eng standen die Häuser, obwohl rundherum noch viel Platz war. Als würden sie sich um ein wärmendes Feuer scharen.
    Davide Aleppos kleines Haus lag am Rand des Dorfes und sah vertrocknet aus. Ein Namensschild gab es nicht, auch keine Klingel, aber Pit hatte sich durchgefragt, hier musste er richtig sein. Hinter dieser Tür wurde Korsikas große Käsespezialität hergestellt, der Casjiu merzzu mit seinen Fliegenmaden, die beim Hineinbeißen sprungartig das Weite suchten. Es waren die Exkremente der Maden, die dem Käse seine besondere Note verliehen. Bon appétit. Doch Davide hatte wohl auch anderes im Angebot. Sein Vater hatte einen Milbenkäse entwickelt, wie es ihn auch in Sachsen-Anhalt gab. Diesem Produkt galt die besondere Leidenschaft der Aleppos. Wie jeder gute korsische Käser führte Davide aber auch Brocciu, einen quarkähnlichen Frischkäse aus Ziegen- oder Schafsmilch, den er mit schwarzem Pfeffer bestreute und von Oktober bis Juni verkaufte. Versetzt mit einer Prise Zucker und einem Schuss Tresterschnaps, war der Brocciu das traditionelle Mittagessen der Schäfer und Ziegenhirten. Bei Festlichkeiten war es noch heute üblich, den Gästen bei der Verabschiedung eine mit Brocciu gefüllte Teigtasche zu überreichen.
    All das schwirrte nun in Pits Kopf herum, denn er hatte nach der Landung den Fehler begangen, Bietigheim anzurufen, woraufhin er sogleich genaueste Instruktionen über seine Ermittlungsaufgaben sowie eine Vorlesung zur korsischen Käsekultur erhalten hatte. Eins war ihm davon besonders im Gedächtnis geblieben, nämlich die Sichtweise der Festlandfranzosen, was die Käse der schönen Insel betraf. Ein Käse, der stank, war für sie ein korsischer Käse. Punkt.
    »Hallo?«, rief er und drückte den Türgriff. Es war offen.
    »Ja?«, kam es aus der ersten Etage zurück.
    »Ich bin's, Pit! Der Ausputzer vom Professor. Also von Adalbert Bietigheim. Ich soll hier nach dem Rechten sehen.«
    »Hier oben. Im Schlafzimmer. Ich habe mich kurz hingelegt. Kommen Sie ruhig hoch.«
    Die Inneneinrichtung war karg, aber ordentlich. Pit linste in alle offenen Türen. Konnte ja nicht schaden. In einem Zimmer standen die Kisten mit Käsemilben. Es war der Speichel der Viecher, der die Fermentation des Käses in Gang setzte. Damit die Milben den Käse nicht zu stark abfraßen, gab Davide Aleppo Roggenmehl in die Kisten, wie ein dreisprachiges Plakat erläuterte. Anscheinend kamen ab und an Touristen hierher. Nach einem Jahr, stand dort, war der Käse fast schwarz. Dann roch er passenderweise lakritzig.
    Pit würde trotzdem kein Stück davon probieren. Er hatte ja schon viel Mist gegessen, aber Milben konnten bleiben, wo sie hingehörten. Im Teppich.
    Eine schmale, knarzende Treppe führte hinauf in die erste Etage. Pit stieß links, rechts und oben an. Korse musste ein anderes Wort für Zwerg sein.
    »Hier«, rief Davide Aleppo, und Pit ging in das erste Zimmer zur Linken. Der Käser lag angezogen auf der Tagesdecke und hielt sich einen Eisbeutel auf den Hinterkopf.
    Pit reichte ihm seine Pranke und entschloss sich spontan, den jungen Käser zu duzen. Sonst wäre er sich wie Opa Pit vorgekommen. »Du lebst also noch. Find ich gut. Wir hatten uns schon Sorgen gemacht. Ist schlimm, ich meine, deine Rübe?«
    »Geht. Tut schon nicht mehr so weh. Aber es ist elend kalt.«
    »Stell dir vor, du bist ein Königspinguin.«
    »Der Professor hat mir vorhin am Telefon gesagt, ich soll dir haargenau berichten, was hier los war.«
    »Korrekt.«
    Davide setzte sich auf. »Die Polizei war schon da und hat alles aufgenommen, aber ich erzähle es gern noch mal. Vielleicht glaube ich dann endlich, dass es wirklich passiert ist.«
    »Brauchst du noch eine Portion neues Eis?«
    »Nein, geht schon.« Er blickte einige Zeit leer an die Decke, bevor er wieder zu Pit sah. »Ich hatte gerade bei dir und dem Professor angerufen, da hörte ich etwas im Stall. Bin dann hin, ganz leise.«
    »In dem Moment hättest du schon die Polizei rufen müssen.«
    »Und wenn es nichts gewesen wäre? Ich hätte

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